travelog 1



Tiefe Höhlen, enge Gänge



Morgens früh ging's auf die Post in White's City (es streiten sich sogar hier die Geister, ob's nun White's City oder Whites City heisst, mal schreibt man's so, mal anders), einem Touristen-Kuhdorf mit einer Tankstelle, einem Restaurant, einem 1-Mio-Dollar-Museum, einem Best Western-Hotel/Motel/Campingplatz, zwei oder drei Souvenir-Läden und genügend Parkplätzen. Alles ein wenig auf kitschiges Wildwest aufgemacht, richtig abgeschmackt. Wir holten unsere Post ab, die Tante da war richtig unfreundlich. Wir versuchten, im Motel an einen Telefonstecker heranzukommen. Doch alle Ueberredungskünste und Geldversprechungen nützten nichts. Es dürfe nur ge-e-mailt werden, wenn man auch ein Zimmer mietet - was uns dann am Ende doch zuviel des Guten war.



Dann fuhren wir denn also in den gleich angrenzenden Carlsbad Caverns National Park. Richtige Chihuahua-Wüste empfing uns. Hier wuchsen die Pflanzen ohne dauernd von irgendwelchen Rindviechern abgefressen zu werden. Hier gab's auch keine Zäune mehr... Auch im Visitor Center und dem anliegenden Restaurant fanden wir keinen edlen, milden Spender, der uns die E-Mail senden/empfangen lassen wollte. Was mich dazu verleitete, die guten Leute etwas anzufluchen...



So hat Julia eben für uns beide eine Abenteuer-Höhlen-Tour gebucht - "Lower Caves" - zu der man warm gekleidet, gut gepolstert, mit Handschuhen und einem Vierersatz von AA-Batterien (zwecks Erleuchtung des Speleologen-Helmscheinwerfers) um 13 Uhr erscheinen sollte. Wir erschienen...



Erst mal waren es nur 6 eingetragene Teilnehmer, dann kamen plötzlich noch weitere 5 Leute dazu, so waren es am Ende 11 und 2 Ranger, einen für die Spitze und eine (man merke - weiblich !) für das Ende des Zügleins. Mit dem Fahrstuhl ging's dann erst einmal 750 Fuss (rund 250 Meter) in die Tiefe. Richtig amerikanisch kam man in einem unterirdischen Hamburger-Fress-Laden heraus, die TeilnehmerInnen wurden nochmals aufs Klo geschickt (uns unverständlich, warum die Leute nicht vorher daran denken...), was denn auch die meisten TeilnehmerInnen noch folgsam taten. Und dann wurde es ernst. JedeR musste sich erst einmal einen etwas schlüpfrigen Hang hinunter abseilen - immer mit dem Ruf "on rope" beim Anseilen und "off rope" beim Verlassen des Seils - und anschliessend mehrere Stahlleitern in die Tiefe steigen (die/der geneigte LeserIn wird es schon vermuten: mit den Rufen "on ladder" und "off ladder") um sich dann in einer finsteren Halle mit schlüpfrig-unebenem Boden im Schein der Helmlaternen im Gänsemarsch vorwärtszubewegen.



Eine etwas unheimliche, dunkle und sehr stille Welt empfing einen. Ab und zu hörte man einen Wassertropfen irgendwo auf einer Wasseroberfläche aufschlagen. Um irgendwohin in die Dunkelheit zu leuchten, musste man stehenbleiben, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wo man auch hinleuchtete waren Risse und Schründe, tiefe Löcher, kleine Seen, Stalagtiten und Stalagmiten, hübsch terrassenförmig aufgebaute Säulen - über unendliche Zeiten gewachsen. Da lagen Höhlenperlen herum, über endlos lange Zeiten durch von der Decke tropfendes Wasser langsam gewachsen, die teilweise Hühnerei-Grösse erreichten. Das Wasser in den stehenden Pools schimmerte leicht grünlich und war absolut glasklar. Teilweise hingen die Gebilde wie Eiszapfen, teils wie Vorhänge von der Decke, teils waren sie mit kleinen Kügelchen ähnlich Popcorn über und über bedeckt. Alles um uns herum bestaunend, tappten wir also im Gänsemarsch durch grosse Hallen, zwängten uns durch enge Gänge und mussten einmal sogar durch eine enge Oeffnung kriechen (ein Vorgeschmack auf die Höhlentour, die wir für nächsten Sonntag vorgesehen haben, da werden wir uns nämlich rutschend, kriechend durch die Spider-Cave bewegen). An einem recht engen Ort musste man sich dann hinsetzen und die Ranger baten alle, die Lichter zu löschen, um einmal mitzuerleben, wie dunkel und wie still es in diesen Tiefen (rund 300m unter der Oberfläche) sei, wie lebenswichtig es daher sei, genügend Lichtquellen mitzunehmen.



Die absolute Schwärze um uns herum war eine echte Erfahrung - wenn man sich gleichzeitig auch bewusst wird, wie lebenswichtig in diesen Höhlen ein guter Helm ist; an jeder Ecke lauert eine Möglichkeit, sich ganz gehörig den Kopf blutig zu schlagen. Wir machten also möglichst keine Bewegung...



Auch das Zeitgefühl, an der Erdoberfläche eigentlich nichts besonderes, geht einem in diesen Tiefen völlig verloren. Erst nach rund 3 Stunden kletterten wir - um eine Erfahrung reicher - wieder ans Tageslicht.



Tja, gestern waren wir denn runde 5 Stunden in den öffentlich zugänglichen Bereichen der Carlsbad Caverns. Da es im Moment auch keine grosse Reisezeit ist, sind die Parkplätze völlig leer und es bewegen sich aus diesem Grund auch keine grossen Menschenmassen durch die Eingeweide der Erde. Ein Grund mehr zu verweilen, sich da und dort hinzusetzen und die optischen Eindrücke zu geniessen.



Witzig nebenbei: an dieser Höhlen-Tour haben wir einen jungen Mann kennengelernt, der mit seiner Familie einen Campingplatz in Carlsbad bewirtschaftet. Geschäftstüchtig haben wir ihn gleich nach "special rates" gefragt und zahlen jetzt nur 50% des üblichen Preises. Wer nicht fragt, der nicht gewinnt.



Januar 1998



Julia Etter & Martin Kristen