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Cactus & Succulent Convention in San Diego



Alles begann mit der Einladung an die Jahresversammlung des amerikanischen Kakteenclubs, der Ende April 2011 in San Diego stattfinden sollte. Flug, Unterkunft und Verpflegung wurden uebernommen, als Gegenleistung wurden von uns zwei Vortraege erwartet. Dieses Angebot konnten wir nicht ausschlagen und so begannen wir mit der Reiseplanung. San Diego war sicherlich eine Reise wert, doch was machten eigentlich unsere Freunde Kristin & Blair, die ehemaligen Eigentuemer der "Bruchbude", von denen wir im August 2002 ausfuehrlich schrieben? Schlussendlich stand der Plan fest: Flug nach San Luis Obispo, Zugfahrt nach San Diego und Rueckflug nach Mexiko.



Die Hinreise gestaltete sich besonders muehsam. Von Guadalajara nach Houston, wo wir 2 Stunden bei der Einwanderungskontrolle anstanden, da zur gleichen Zeit 5 Flugzeuge aus aller Welt angekommen waren, doch wir hatten gluecklichwerweise genuegend Zeit eingeplant. Dann nach Los Angeles und wieder ewig warten, um schliesslich mit einer kleinen, lauten Maschine nach San Luis Obispo zu fliegen, wo wir kurz vor Mitternacht ankamen. Unsere Freunde hatten ein Auto am Flughafen zurueckgelassen, das wir nun in der Dunkelheit mit unseren Koffern im Schlepptau suchten. Ein Polizist im Streifenwagen beobachtete uns misstrauisch, doch fand es normal, dass Leute mitten in der Nacht jeden Parkplatz des Flughafens San Luis Obispo mit ihren Koffern abklapperten. Im neuen Haus in Santa Margarita erwartete uns Blair mit einem kalten Bier und bald sanken wir erledigt in die Federn.



Am naechsten Morgen begruessten wir als erstes natuerlich den Nachwuchs, Lily & Ewan. Wir kannten die beiden schon von frueher, allerdings war Ewan in der Zwischenzeit zu einem grossen Buben herangewachsen und Lily zu einer kleinen Prinzessin mit einem goldenen Lockenkoepfchen. Netterweise hatte sie uns ihr Prinzessinnenzimmer zur Verfuegung gestellt, wo wir unter einem maerchenhaften Sternenhimmel wie die Engel schliefen. Die beiden Kinder kannten uns natuerlich auch, wir waren die beruehmten "The Swiss", kurz "Die Schweizer".



Das Haus sah immer noch etwas unfertig aus, v.a. was dem Umschwung betraf. Doch immerhin waren einige Baeume und Buesche gepflanzt. Sogar eine nette Plantage von Fruchtbaeumen hatten unsere Freunde mit den Kindern angelegt. Martin sah natuerlich sofort, dass im Eingangsbereich des Hauses das Bewaesserungssystem fehlte und zuviel Unkraut wuchs. Kaum hatten wir also unseren eigenen Garten zurueckgelassen, um etwas wohlverdienten Urlaub zu machen, waren wir schon wieder zurueck bei der Gartenarbeit. Ein ganzes Wochenende schufteten Blair und Martin und legten Rohre und Leitungen, waehrend ich mich an die Entsorgung des Unkrautes machte. Zum Schluss wurde alles mit gehaeckselter Rinde abgedeckt und wir waren richtig stolz auf unser Werk. Sogar die Kinder bemerkten, dass der Garten langsam nach einem richtigen Garten auszusehen begann. Im Abendlicht setzten wir uns alle in bequemen Sesseln vor die Haustuere, nippten an einem Glaeschen lokalem Wein, naschten an kleinen Haeppchen und bestaunten unser Werk. Der erste Blick am naechsten Morgen galt natuerlich dem Garten. Wir hatten schon von den Maulwuerfen gehoert, doch Martin war der Ueberzeugung, dass der Geruch der Rinde die Viecher abhalten wuerde. Zu unserem Entsetzen entdeckten wir jedoch bald das erste Loch. Nach der Einkaufstour war unser Maulwurf schon fleissig gewesen und hatte sich in ein weiteres Beet vorgearbeitet und war gerade daran, einen weiteren Tunnel zu buddeln. Da die Viecher fast blind sind, liess er sich nicht sonderlich von uns stoeren. Schnuggelig sind sie ja schon, doch wenn sie einem die ganze Arbeit zerstoeren, kann sich die Wut anstauen. Martin packte die naechstbeste Schaufel und stellte sich neben den Tunnel. Es dauerte nicht lange, da erschien unser Maulwurf an der Oberflaeche. Es brauchte nur einen scharfen Schnitt mit der Schaufel und er war in den Maulwurfshimmel befoerdert. Am Nachmittag hatten ihn dann auch die Geier entdeckt und verspiesen.



Die Tage vergingen viel zu schnell. Sandy & Val, Blairs Eltern, luden uns alle zu einem Bluegrass Konzert in einem nahegelegenen Weingut ein. Vor dem Konzert sass man unter alten Olivenbaeumen zwischen den Reben und nippte an einem Glas Wein. Das lustigste Geraeusch waehrend des Konzertes waren Weinglaeser, die auf den Boden unter die Stuehle gestellt wurden und zu Bruch gingen. Vor der Zugfahrt verbrachten wir eine Nacht bei Sandy & Val in Avila Beach. Ihr kleines Holzhaus uebersieht von der Terrasse aus den Hafen und man sieht weit auf den Pacific hinaus. Val's gegrillte Rippchen waren wie immer ein Genuss. Am naechsten Morgen brachten uns die beiden ganz frueh zum Bahnhof. Wir hatten unreservierte Sitze, die sich als die bequemsten und besten herausstellten. Eine Frau, die Business gekauft hatte, verirrte sich in unsere Sektion, weil sie sie mit Business verwechselte. Die Sitze waren breit und sehr bequem, verstellbar wie im Flugzeug und verfuegten auch ueber Fussstuetzen. Die Fensterscheiben waren fast sauber geputzt und riesig, perfekt um die Aussicht zu geniessen. Im Morgennebel verliessen wir San Luis Obispo. Bald schon erreichte der Zug bei Lompoc die Kueste und wie bestellt verzog sich hier auch der Nebel. Diesen Teil der Kueste kann man nur vom Zug aus sehen, denn hier fuehrt keine Strasse durch und ein Grossteil ist militaerisches Sperrgebiet. Vor Santa Barbara fuhren wir dann wieder in den Nebel hinein, doch diesen Teil der Kueste kannten wir sowieso von verschiedenen Unimog-Touren her. In Los Angeles stoppte der Zug 20 Minuten, Zeit genug um sich die grosse Bahnhofshalle anzusehen. Ausser einem weiteren militaerischen Sperrgebiet nahe San Diego fuehrte die Zugfahrt nun durch extrem besiedeltes Gebiet. Teilweise konnte man den Leuten aus dem fahrenden Zug direkt auf die Terrasse und den Swimming Pool schauen. Wir verliessen den Zug in Oceanside, wo uns Kelly Griffin, ein Pflanzenfreak wie wir, abholen sollte.



Mit unseren Siebensachen standen wir etwas verloren am Bahnhof. Die anderen Fahrgaeste verschwanden sofort oder hingen am Handy, was wir fuer einmal auch ganz gut haetten gebrauchen koennen. Zwei Polizisten patroullierten am Bahnhof und sahen sich sogar im Burger King nach verdaechtigen Elementen um. Irgendwas stimmte mit der Telefonnummer nicht, doch schliesslich hatten wir einen Operator am Draht, der von Martin eine Kreditkarte wollte. Der wurde natuerlich sauer, weil wir den Apparat ja schon mit vielen Dollarmuenzen gefuettert hatten und er nicht doppelt bezahlen wollte. Am anderen Ende war Kelly, was wir allerdings nicht wussten. Wir bestiegen einen kleinen lokalen Zug und fuhren weiter suedlich nach Carlsbad, von wo wir im schlimmsten Falle einen Bus nehmen wollten, um zu Kelly zu kommen. Am Bahnhof sahen wir mehr Polizisten und an der Busstation tummelten sich die wildesten Gestalten, von denen wir den meisten nicht in der Dunkelheit begegnen wollten. Diesmal erreichten wir Kelly telefonisch und bald darauf stand er an der Busstation. Der Operator von vorher hatte auch von ihm einen Kreditkarte verlangt und als Kelly sich erkundigte, wieviel dass ihm denn abgebucht wuerde, meinte der andere unverfroren, so um die $23, und danach natuerlich noch weitere Dollars pro Minute - welch' Frechheit! Da haetten auch wir dankend abgelehnt!



Kelly und seine Frau Denise waren erst vor kurzer Zeit in ein eigenes Haus in Carlsbad eingezogen. Hinter dem Haus hatten sie den ganzen Abhang mit sukkulenten Pflanzen bepflanzt, was vom Schlaf- und Wohnzimmerfenster aus spektakulaer aussah. Hunderte weitere Pflanzen standen in Toepfen und Schalen herum. Am naechsten Tag kam Andrew Hankey aus Suedafrika an, der auf der Couch untergebracht wurde. Schliesslich erschien noch Brian Kemble aus San Francisco, doch da begann auch schon die Convention in San Diego, wo wir alle im Marriott Hotel Mission Valley untergebracht waren.



Am ersten Tag begegneten uns altbekannte Gesichter und wir lernten neue Pflanzenfreaks kennen. Den ganzen Tag ueber konnte man verschiedenen Vortraegen von Spezialisten aus aller Welt beiwohnen. Falls man sich etwas die Fuesse vertreten wollte, spazierte man ueber die Terrassen des Hotels, das extra fuer diesen Anlass seine Bepflanzung auf Kakteen und andere Sukkulenten umgestellt hatte. In einem Pavillion waren die Pflanzenverkaeufer untergebracht und natuerlich durfte auch ein Buchverkaeufer nicht fehlen. Abends traf man sich entweder unten an der Hotelbar oder privat auf einem Zimmer. Besonders beliebt war die Zimmerbar von Roberta und Jim Hanna, wo es Margaritas, Bier, Wein und weitere Drinks gab und natuerlich Nuesschen, Chips und sonstige Naschereien. Mit einer von Roberta's Margaritas, die sie in Papiertueten nach unten trug, ueberstand man auch den laengsten Nachmittag. Eigentlich wollten wir ja etwas am Pazifik spazieren und durch Old Town bummeln, doch irgendwie reichte die Zeit einfach nicht. Immerhin schafften wir es an einem Nachmittag mit ein paar San Diegoans in den Torrey Pines State Park, wo wir nach Dudleya blochmaniae ssp brevifolia suchten. Die Pflanzen sind nur waehrend ihrer Wachstumsperiode zu sehen, sind extrem klein und wachsen auf einem Boden, der mit kleinen bunten Kieseln uebersaet ist, an den sie sich perfekt angepasst haben. Ein ganzer Tag war einer Exkursion gewidmet. Unsere Gruppe wurde von fachkundig Kelly Griffin gefuehrt, der uns viele interessante Dudleyen zeigte. Der absolute Hoehepunkt dieses Ausflugs war der Besuch eines Standortes der seltenen Dudleya stolonifera. Ein ganzer Fels war auf seiner Schattenseite von den gruenen Rosetten ueberwachsen, ein spektakulaerer Anblick. In der Naehe von San Diego muss man sich Dudleyen und was sonst noch von der einheimischen Flora uebriggeblieben ist, auch schon mal unter der Bruecke einer Autobahn anschauen, wo die Pflanzen dann versuchen, sich gegen die eingefuehrten afrikanischen Mesembs oder Aeonien zu behaupten. Die Convention wurde von einem offiziellen Bankett abgeschlossen, wo viele in Gala erschienen.



Wir verbrachten noch einige Tage bei Allen Repashy, der sich eigentlich auf exotische Geckos spezialisiert hatte, aber auch vom Sukkulenten-Fieber angesteckt wurde. Er bewohnt mit seiner Freundin Karen und seiner riesigen Dogge XXX ein grosses Haus auf einem Huegel in Bonsall noerdlich von San Diego. Rundherum gibt es nur McMansions, ueberdimensionierte und oft total stillose Supervillen von Superreichen. Seine Aussicht ist spektakulaer und in seinem Garten mit den vielen Agaven und anderen sukkulenten Pflanzen kann man sich gut verweilen. Wir besuchten weitere Pflanzenfreaks, u.a. den tropischen Garten eines Palmenliebhabers und das persoenliche Paradies eines Cycadaceen Sammlers.



Wie immer vergingen unsere drei Wochen Urlaub viel zu schnell. Vom angenehmen mediterranen Klima in San Diego kehrten wir in die Hitze Zentralmexikos zurueck. Unsere Schweizer-Mexikaner Freunde Jean-Marc und Lupita hatten fuer Martins Geburtstag Ballone auf ihrer Terrasse aufgehaengt und zum Fruehstueck gab es hausgemachte Tamales und Atole und wir sangen "Las Maņanitas", die spanische Version von "Happy Birthday".



Juni-Juli 2011



Julia Etter & Martin Kristen