travelog 128






Reisen mit Kyra und Kaspar III: Steinhaufen



Steinhaufen, Steinhalden, Steinhügel, Berge von Steinen und noch mehr aufeinander gestapelte Steine. Die Rede ist natürlich von den archäologischen Ruinenstätten der Maya, von denen es auf der Yucatán Halbinsel mindestens zwanzig geben soll. Die Ruinen verteilen sich auf die Staaten Yucatán, Quintana Roo und Campeche, wobei viele noch gar nicht komplett ausgegraben sind. Chichen Itzá und Tulúm gehören wahrscheinlich zu den meist besuchten Anlagen, doch es gibt durchaus auch Ruinen, wo man ganz alleine durch die Steinhaufen wandern kann. Da eine Reise nach Yucatán ohne den Besuch einiger dieser Ausgrabungsstätten nur eine halbe Reise ist, standen auf unserer To-Do-List natürlich auch ein paar dieser Steinhügel.



Ek'Balám

Die Ruinen von Ek'Balám lagen (fast) am Weg. Unser deutscher Reiseführer hatte sogar einen Spezialtip für eine ganz besondere Unterkunft, das Genesis Eco-Retreat. Wie schon im vorherigen Reisebericht erwähnt, kommt alles mit dem Label Oeko ganz gut an und kann teuer verkauft werden, was auch auf das Genesis Eco-Retreat zutraf. Die Besitzerin, eine Kanadierin, hat im kleinen Dorf Ek'Balám ein kleines Hotel mit verschiedenen Bungalows aufgebaut, mit einem Swimming Pool und dazugehörendem Restaurant, das u.a. Gemüse aus Eigenanbau und Eier von eigenen Hühnern anbietet. Das Maya Dorf Ek'Balám besteht aus wenigen typischen Häusern mit Palmstroh-Dächern. Am Hauptplatz, der teils von riesigen Bäumen beschattet wird und gleichzeitig als Fussballfeld dient, werden lokal hergestellte, bunte Hängematten verkauft. Auf der anderen Seite des Platzes steht das verlassen aussehende Hotel Dolce Mente. An einer anderen Strasse befindet sich das Centro Ecoturistico "Unajil Ek Balam", wo wir uns nächstes Mal einquartieren würden. Es wird von lokalen Leuten geführt, die Bungalows sind gross, über den Betten hängen Moskitonetze, und bei Voranmeldung kriegt man sogar Essen serviert. Die Bungalows in unserem Eco-Retreat sahen zwar nett aus, waren allerdings für meinen Geschmack überteuert. Wir übernachteten im Hobbit Zimmer mit drei Betten, wobei die Moskitonetze nicht gross genug waren und man sich Bad/Dusche/WC mit anderen Gästen teilen musste. Das Bad im von tropischen Pflanzen umgebenen Pool war allerdings sehr erfrischend. Schade nur, dass die Tische und Stühle und das Geschirr im Restaurant, das auch ein Aufenthaltsraum mit Schaukelstühlen und Sofa ist, so gar nicht zu diesem Maya Dorf passten, sondern wahrscheinlich bei einem grossen Warenhaus gekauft wurden.



Am nächsten Morgen besuchten wir dann die Ruinenanlage von Ek'Balám, "schwarzer Jaguar", die wahrscheinlich im 3. Jahrhundert gegründet wurde, zwischen 600-700 n.Chr. ihre Blütezeit erlebte, und über 1000 Jahre lang bewohnt wurde. Mit der kartographischen Erfassung wurde erst in den 80-er Jahren begonnen und die noch andauernden Ausgrabungen begannen erst in den 90-er Jahren. Morgens um acht Uhr waren wir die ersten Besucher. Wir genossen die noch einigermassen kühle Morgenluft. Kyra wurde schon bald von Hundewelpen abgelenkt, die viel interessanter als die aufeinandergehäuften Steine waren. Die Ruinen sind im Urwald verteilt und Bäume und Büsche wachsen aus den Steinen heraus. Auf den 500m langen, 60m breiten und 30m hohen Turm konnte man über steile Stufen hinaufklettern. Statuen und sonstige dekorierte Steine standen unter Palmstrohdächern abgedeckt. Schon bald wurde es allerdings heiss und schwül und ein Bad im Cenote nebenan wurde immer verlockender.



Uxmal

Ein Höhepunkt der Reise war der Besuch dieses UNESCO Weltkulturerbes. Gegründet um 500 n.Chr., erreichte die Stadt mit ~20'000 Einwohnern zwischen 850-950 ihren Höhepunkt als Hauptstadt eines regionalen Maya Staates. Nach 1000 n.Chr. wurden keine neuen Bauten mehr angefangen, doch als die Spanier um 1550 dort ankamen, schien die Stadt immer noch spärlich bewohnt zu sein. Uxmal ist nicht geometrisch angelegt wie andere prähispanische Städte, sondern erstens nach astronomischen Erscheinungen wie z.B. Auf- und Untergang der Venus und zweitens an die Topographie der Umgebung angepasst. Eine weitere Spezialität von Uxmal ist die Adivino Pyramide, die Pyramide des Wahrsagers. Sie beruht nicht wie normale Pyramiden auf einem rechteckigen Grundriss, sondern wurde auf einer ovalen Form errichtet. Alle Gebäude sind reich dekoriert mit symbolischen Motiven und es gibt unzählige Skulpturen, die den Regengott Chaac darstellen. Ein erhöhter Weg verbindet zudem Uxmal mit Kabáh, einer weiteren Stadt ungefähr 18 km südlich.



Wir kamen am späteren Nachmittag in Uxmal an. Ausser drei Hotels gibt es hier nichts, kein Dorf, kein abarrotes Geschäft, ein Tante-Emma-Laden, wo man hätte Wasser kaufen können. Kurz bevor man zum ersten Hotel kommt, gibt es ein paar Restaurants, die um diese Tageszeit entweder gerade schliessen, oder noch eine ganze Busladung Touristen bewirten. Wir gingen uns das erste Hotel anschauen. Das Zimmer lag im ersten Stock mit Sicht auf einige Pyramiden und den Swimming Pool, von dem Kyra sofort begeistert war. Allerdings hatte sie schon dazugelernt und wollte sich erst die anderen Hotels noch anschauen, sie wollte ja nicht etwas Besseres verpassen. Also fuhren wir weiter zur Hacienda Uxmal, einem tollen Gebäudekomplex mit einem von Palmen gesäumten Swimming Pool. Als wir allerdings den Preis hörten, $2000 Pesos, erschraken wir doch ein ganz kleines bisschen. Kyra hatte ja auch schon begriffen, dass man das beim Hotel eingesparte Geld für Pferdekutschen, weisse Trauben, bunte Hängematten, Gummibärchen und dergleichen ausgeben konnte, und so übernahm sie schnell die Verhandlung für einen besseren Preis. Als der Concierge sie nach dem Preis fragte, den wir zahlen würden, meinte sie frech $900 Pesos. Für diesen Preis bot er uns ein Zimmer in der Casa del Mago, Haus des Zauberers, an. Erst dachte ich, der Mann macht Witze, doch er führte uns tatsächlich zurück an die Hauptstrasse in ein ziemlich altes Gebäude und zeigte uns im ersten Stock ein kleines Zimmer. Also doch ein Witz, denn die Grösse und Dekoration des Zimmers konnten auf keinen Fall $900 Pesos wert sein, nicht einmal in Uxmal. Zurück an der Rezeption insistierte der Consierge, uns doch noch eines der richtigen Hacienda Zimmer zu zeigen, damit wir sehen könnten, was wir alles verpassten. Dieses Zimmer war nun wirklich ausgesprochen schön: Riesig gross mit zwei grossen Doppelbetten, Minibar, Pool Badetüchern, Blick ins Grüne, das Badezimmer toll eingerichtet mit Badewanne und allen möglichen Seifen und Shampoos, und der Swimming Pool ein paar Schritte entfernt. Natürlich fand Kyra mittlerweile den Pool im vorherigen, wesentlich billigeren Hotel, komplett unakzeptabel und auch die schöne Aussicht auf die Pyramiden war längst vergessen. Schliesslich sah der Concierge unsere Probleme ein und reduzierte den Preis auf $1100 Pesos, immer noch ein stolzer Preis, doch schliesslich bekamen wir auch ein tolles Zimmer dafür. Tatsächlich bezahlten Gäste nach uns die für mich unglaublichen $2000 Pesos ohne mit der Wimper zu zucken, doch als europäische Touristen sind sie sich auch andere Preise gewöhnt.



Als erstes gönnten wir uns ein Bad im Swimming Pool. Deutsch, italienisch und französisch waren die am meisten gehörten Sprachen. Beim Eindunkeln schlenderten wir zum Eingangstor von Uxmal hinüber, um Karten für die Lichtshow zu ergattern. Als wir dort ankamen war die Schlange schon ziemlich lang. Ein teures Holanda Eis (doppelt so teuer wie anderswo) verkürzte uns etwas die Wartezeit. Doch dann geschah das Undenkbare: Als noch vier Leute vor uns in der Reihe standen, waren alle Karten ausverkauft! Grosse Verwirrung kam auf, bis sich herausstellte, dass wir in ungefähr 15 Minuten Eintrittskarten für eine zweite Show am gleichen Abend kaufen konnten. Ausser dass wir ewig sitzen und warten mussten, war die zweite Show wahrscheinlich die bessere Lösung, denn es waren viel weniger Leute anwesend, die sich um die wenigen Stühle streiten konnten. Mir gefiel die Licht- und Tonschau, doch Kyra und mein Bruder langweilten sich eher, denn sie verstanden nichts von den ganzen Sagen und Geschichten über die Prinzessinnen, Götter und Herrscher von Uxmal, von denen erzählt wurde. Die Geschichten wurden von der Lichtschau begleitet, die die verschiedenen Gebäude in bunte Farben tauchten. Das Beste an dem ganzen war, dass die Lichter die verschiedenen Schlangenfiguren in den Wänden erleuchteten, die wir am nächsten Tag ansonsten wahrscheinlich nicht als Schlangen identifiziert hätten.



Am Morgen standen wir kurz vor acht Uhr am Eingang. Ein junges französisches Paar hatte den ersten Bus von Merida genommen und wartete ebenfalls auf Einlass. Schnell gingen wir an den ersten Ruinen vorbei, um den grossen Platz mit den verschiedenen Palästen und Pyramiden alleine geniessen zu können. Wir waren alleine mit der Putzmannschaft und den Wächtern, die sich mit ihren Wasserflaschen auf ihre Posten begaben. Zum Glück liegt Uxmal zu weit von der Riviera Maya entfernt, um in einem Tag besucht werden zu können, deshalb hat man die Ruinenstätte (fast) für sich alleine. Die Stille rundherum wurde nur vom Vogelgezwitscher aus allen Bäumen und dem Summen von Insekten unterbrochen; fette Leguane wärmten sich in den ersten Sonnenstrahlen auf den Steinmauern; auf unausgegrabenen Hügeln wuchs Agave sisalana; wo man auch hinschaute sah man reich dekorierte Fassaden und halb verfallene Ruinen, die nahtlos in den Urwald übergingen; ganz zuhinterst die Casa de las Palomas, das Taubenhaus, ebenfalls halb zerfallen und tatsächlich wie Taubenschläge aussehend - durch ein breites Tor hindurch landete man direkt im Dschungel; über ungefähr 72 steile und hohe Stufen konnte man auf die grosse Pyramide hinaufsteigen, wo man einen tollen Blick über die ganze Anlage genoss; und nicht zu vergessen der Ballspielplatz, der mit dem grünen Rasen und den Bäumen eher wie eine Gartenanlage aussah als wie ein Spielfeld. Die riesige Anlage, die Umgebung, der sich die Stadt zurückerobernde Urwald, die Stille und Einsamkeit, die in Stein gehauenen Figuren, die ganze Atmosphäre hier machten unseren Besuch speziell. Wer genug Zeit hat, der sollte Uxmal auf keinen Fall links liegen lassen. Und wenn man schon in der Gegend ist, dann lohnt sich der Besuch einiger Stätten entlang der Ruta Puuc ebenfalls.



In den paar Stunden, die wir in Uxmal herumgewandert waren, hatten wir schon wieder kräftig geschwitzt. Ein letztes Mal erfrischten wir uns im Swimming Pool unseres Hotels, bevor wir uns auf die Ruta Puuc aufmachten.



Ruta Puuc: Kabáh, Sayil, Labná und die Höhlen von Loltún

Die Puuc Architektur ist einfach zu erkennen. Die Fassaden der Gebäude sind in zwei horizontale Elemente geteilt. Der untere Teil besteht aus schlichten und schmucklosen Steinblöcken, die höchstens von Türen unterbrochen werden. Der obere Teil der Fassade hingegen ist reich dekoriert mit komplizierten Steinmosaiken, symbolischen Motiven, und oftmals aneinandergereihten geometrischer Elemente. Sayil, Labná und Kabáh sind sowas wie Vorstädte von Uxmal, erbaut zwischen dem 8.-10. Jahrhundert. Auf der kleinen Landstrasse begegneten uns nur ganz wenige Autos, in Kabáh stand allerdings schon ein Tourbus auf dem Parkplatz und eine Horde deutscher Touristen in kurzen Hosen und Sonnenhüten, die Kameras auf den prallen Bäuchen wippend, trampelte durch die Ruinen. Der Palast der Masken ist von oben bis unten und von links nach rechts komplett mit Masken von Chaac, dem Regengott, bedeckt. Am Boden liegen unzählige weitere dieser Masken, die in die Palastwände eingepasst werden. Kyra konnte mit den vielen Masken nicht arg viel anfangen, ausserdem hatten wir ja schon Uxmal angeschaut und ein Mädchen kann pro Tag nur so viele Steinhaufen anschauen, also setzte sie sich kurzerhand in den Schatten einer Mauer und las in ihrem Pferdebuch. Als nächstes besuchten wir Sayil, wo wir die einzigen Besucher waren. Vom Eingang wanderten wir auf einem Weg durch den Urwald, bis wir zu einer Lichtung kamen, auf der ein ungefähr 80 Meter langer, dreistöckiger Palast stand, dessen Steine orange im Sonnenlicht durch den Wald schienen. Das Gebäude war enorm und kam völlig unerwartet. Kyra fand sofort einen riesigen Baum mit dicken Luftwurzeln, die ihr als Sitz dienten. Während mein Bruder und ich das Gelände erkundeten, vertiefte sie sich sofort wieder in ihr Buch. Südlich vom grossen Palast lag der Mirador Tempel, der wie ein Aussichtspunkt aussah auf der obersten Spitze eines Hügels. Weiter im Urwald versteckt waren überwachsene Steinhügel und eine riesige Steinplatte mit einem Fruchtbarkeitsgott, geschmückt mit einem überdimensionalen Phallus. Labná war der nächste Stop entlang der kleinen Landstrasse. Eine französische Familie mit kleinen Kindern waren die einzigen anderen Besucher hier. In Labná waren viele Strukturen noch komplett überwachsen. Man sah sehr gut mehrere "sac bes", erhöhte Steinstrassen, und es gab einen Triumphbogen, sowas wie einen antiken Arc de Triomphe mitten im Urwald. In den Bäumen gediehen Orchideen und riesige Bromelien. Und einmal mehr faszinierte die Stille - abgesehen vom Vogelgezwitscher und Insektengesumme - und die Abgelegenheit des Ortes.



Als letztes besuchten wir noch die Grotten von Loltún. Wir kamen gerade rechtzeitig, um an einer geführten Tour teilzunehmen (die Höhlen sind nur mit Führer zu besuchen). Der Eintrittspreis war nicht gerade billig, dazu kam noch der Führer, der uns als erstes eine lange Einführung gab, dass er vom Eintrittspreis nichts erhalte und deshalb von unseren Spenden abhängig sei. Uebrigens gibt es auch Führer, die einem eine Privattour auf englisch, französisch oder italienisch geben, doch dieser Luxus kostet natürlich nochmals eine Stufe mehr. Ausserdem wurden wir gewarnt, dass wir ungefähr einen Kilometer über teils unebenes und rutschiges Gelände gehen mussten. Nachdem wir uns also eine Ewigkeit lange den Trinkgeld-Sermon des Führers anhören mussten, ging es endlich los. Wir stiegen in das Höhlensystem hinunter, wo wir in eine Welt von fast 100% Luftfeuchtigkeit und Wärme eintauchten, und folgten den erleuchteten Pfaden. Je nachdem in welchem Höhlenteil man sich befand, wurden die Stalaktiten und Stalagmiten mit verschieden farbigen Scheinwerfern beleuchtet. Die zweistündige Tour führte uns durch einen kleinen Teil der Höhle, die eines der grössten Höhlensysteme der Halbinsel ist und immer noch nicht komplett erforscht wurde. In der Höhle wurden Knochen von Mammuts, Bison, Grosskatzen und Rehen gefunden; ausserdem auch Wandmalereien, Skulpturen, Werkzeug, etc., die auf eine sehr frühe menschliche Besiedlung schliessen lassen. Eine Besonderheit sind zusammengewachsene Stalaktiten und Stalagmiten, die sowas wie musikalische Säulen formen, die verschiedene Töne produzieren, wenn sie angeschlagen werden. Die Mayas, erzählte unser Führer, malten die Negativ Hände - d.h. die äusseren Umrisse der Hand sind schwarz gemalt, so dass es aussieht, wie wenn die Hand mit einer Spraydose gemalt worden wäre - immer in der Nähe eines Ausganges, damit sie, falls sie sich im Labyrinth verirrten, den Weg an die Oberfläche finden konnten. Zum Schluss kamen wir in einen wunderschönen Raum, an dessen Ende ein Teil der Decke eingestürzt war. Vorhänge von Sonnenstrahlen erleuchteten Teile des Raumes und Luftwurzeln suchten sich einen Weg nach unten.



Chichen Itzá

Ueber Chichen Itzá muss ich wohl nicht viel schreiben, das kann man alles im Internet nachlesen. Es ist eine der meistbesuchten archäologischen Stätten in Mexico mit geschätzten 1.4 Millionen Touristen pro Jahr. Chichen Itzá ist ein UNESCO Weltkulturerbe. Der Tempel des Kukulkan, Gott der Gefiederten Schlange (von den Azteken und Tolteken auch Quetzalcoatl genannt), wurde 2007 als eines der Sieben Neuen Weltwunder ernannt. Diese 30 Meter hohe Pyramide, von den Spaniern El Castillo genannt, ist das grösste und wichtigste Bauwerk von Chichen Itzá. Sie wurde zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert direkt auf Fundamenten früherer Tempel erbaut.



Wir kamen am späteren Nachmittag an und fanden das Hotel Dolores Alba, wo wir schon in Merida mit einem Rabatt ein Zimmer reserviert hatten, auf Anhieb. Das war auch nicht schwierig, denn es lag direkt an der Hauptstrasse, die von Cancun nach Merida führt. Die Bilder im Internet waren insofern etwas irreführend, als man den Eindruck bekam, die beiden Swimming Pools lägen irgendwo im Urwald, tatsächlich aber hatte man Aussicht auf die Hauptstrasse, die gerade verbreitert wurde, und hörte jedes Auto, das vorbeifuhr. Der Preis war erschwinglich und wir wollten ja nur übernachten. Die anderen Hotels gehören zur Luxusklasse und sind wunderschön im Urwald gelegen. Im kleinen Ort Chichen Itzá gab es verschiedene Restaurants an der Hauptstrasse, wo wir ein gutes Nachtessen bekamen. Eigentlich wollten Kyra und Kaspar ja hier unbedingt die Licht- und Tonschau sehen, von der sie schon Teile im Internet angeschaut hatten. Also fuhren wir gleich bei unserer Ankunft ans Eingangstor, um Karten zu ergattern. Ueberraschung! Karten konnte man nur lange im Voraus (Hauptsaison!) per Internet bestellen und die meisten Tickets wurden sowieso von Reisebüros und Hotels gekauft, wurden wir informiert.



Am Morgen sassen wir püntklich um sieben Uhr mit weiteren Touristen am Frühstückstisch und warteten mehr oder weniger geduldig darauf, dass etwas passieren würde. Die Angestellten erschienen zwar pünktlich, doch natürlich mussten sie jetzt erst Kaffee brauen und die weissen Servietten verteilen, danach Toast backen und Marmelade verteilen, während wir doch langsam nervös auf die Uhr schauten. Schliesslich organisierte ich für uns einen schnellen Kaffee und ein paar Früchte, um möglichst pünktlich um acht Uhr am Eingangstor zu stehen. Es warteten schon ein paar Autos am Tor, doch immerhin standen noch keine dieser riesigen Reisebusse an. So gegen Mittag geht in Chichen Itzá der grosse Rummel los, wenn die Tagesausflügler aus Cancun und Tulúm in den Tourbussen erscheinen. Wir wurden mit ein paar anderen Frühaufstehern und natürlich den ganzen SouvenirverkäuferInnen eingelassen. Der Urwald lag in dichten Nebel gehüllt, es war ziemlich kühl. Die Kukulkan Pyramide verschwand im Nebel. Wir sahen uns das Gebäude der Tausend Säulen an; die Totenschädel Plattform und diejenige des Jaguars und der Adler, je nach Thema dekoriert mit unzähligen Schädeln, Jaguaren und Adlern. Langsam verzog sich der Nebel und ein strahlend blauer Himmel zeigte sich. Und langsam kamen auch die ersten Reisegruppen. Die SouvenirverkäuferInnen hatten ihre Stände aufgebaut und boten ihre Ware feil. Als wir über den riesigen Ballspielplatz schlenderten, war der Rummel schon ziemlich gross und von allen Seiten hörte man andere Sprachen. Höchste Zeit, ein kitschiges Souvenir zu kaufen und den Ausgang anzusteuern.



Cobá

Wieder kamen wir am späteren Nachmittag an. Zuerst gingen wir auf Hotelsuche. Unsere Reiseführer empfohlen zwei kleine Hotels, die halsabschneiderische Preise verlangten und dafür nichts boten. Schliesslich kehrten wir an die Strassenkreuzung zurück und sahen uns das neue Hotel Hacienda Cobá an, das ganz nett aussah. Im Hacienda-Stil erbaut, müssen die Besitzer allerdings den Gartenbereich noch etwas schöner gestalten. Das Hotel liegt zwar sehr schön im Urwald, doch links und rechts ist das ziemlich schmale Grundstück von Mauern umgeben, was nicht so ganz zum Stil passt. Unser Zimmer war sehr schön eingerichtet, doch teuer. Schliesslich einigten wir uns auf einen Kompromiss: Wir bekamen einen kleinen Rabatt und am nächsten Morgen ein Frühstück. Cobá liegt an zwei Lagunen und im Dorf, genau an einer Lagune, fanden wir ein nettes Restaurant, wo es Quesadillas für Kyra und typisches Yucatan Essen für die Erwachsenen gab. Gegenüber stiegen wir auf einem Steg etwas in die Lagune hinaus. Sofort kam ein Jüngling, der Fleischbrocken an einem Draht ins Wasser warf und zum Steg zog. Bald erschienen zwei Krokodile, die sich um das Fressen balgten. Das ganze Spektakel war natürlich nicht gratis, doch mein Bruder war ganz zufrieden, ein paar Fotos vom aus dem Wasser springenden Krokodil schiessen zu können.



Am nächsten Morgen war Kyra als erste wach und teilte uns aufgeregt mit, dass ein Tisch mit weissem Tischtuch und richtigem Geschirr für uns gedeckt sei. Das Frühstück schmeckte ausgezeichnet und im Nachhinein war es sicherlich das Geld wert, v.a. weil die anderen Hotels wirklich nichts für einen erhöhten Preis boten.



In Cobá waren wir wieder (fast) die einzigen frühaufstehenden Besucher. Vor dem Eingang wurden wir schon angehauen für eine Spezialführung auf italienisch oder englisch. Hinter dem Zahlhäuschen dann liessen wir uns davon überzeugen, die Tour des Geländes in einem Dreirad mit Chauffeur zu machen. Als erstes fuhr uns der fleissige Pedaler, der sogar italienisch sprach, zur Nohoch Mul Pyramide, die mit 42 Metern die höchste auf der Halbinsel ist und immer noch bestiegen werden darf. Sogar Kyra kletterte in der noch ziemlich kühlen Morgenluft die 120 Stufen bis zum Gipfel hinauf. Cobá hatte schätzungsweise zwischen 50'000-60'000 Einwohner zur Blütezeit zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert. Die bebaute Fläche dehnte sich über 80km² aus und ein Netz erhöhter Wege, sogenannte sacbé, führten zu kleineren Stätten in der Umgebung. Die längste dieser Strasse führt ins 100 Kilometer entfernte Yaxuna. Cobá war anscheinend ein wichtiges Handelszentrum, wobei die grosse Bevölkerungskonzentration nur möglich war, weil die Stadt an unterirdisch gespeisten Seen lag. Wir taten gut daran, ein Dreirad gemietet zu haben. Die Anlage war riesig und die verschiedenen Sehenswürdigkeiten lagen weit auseinander. Ausserdem kannte unser Führer die Wege und parlierte mit Kyra auf italienisch während mein Bruder und ich uns Stelen, Steinhügel und Reste ursprünglicher Bemalung anschauten. Die Kinder einer französischen Familie schienen nicht sonderlich begeistert von Cobá zu sein, die Eltern hatten ein paar Pesos gespart und waren zu Fuss unterwegs. Als wir zum Ausgang zurückkamen stand der Fahrradparkplatz schon komplett voll und der Parkplatz am Eingang füllte sich mit Tourbussen.



Tulúm

Nachdem wir uns Cobá angeschaut hatten, fuhren wir direkt nach Tulúm. Mein Bruder hatte Tulúm vor mehr als 10 Jahren besucht und Kyra hatte für den Tag schon genug Steinhaufen angeschaut. Kaspar parkte das Auto ausserhalb des Geländes im Schatten und ich schlenderte zielstrebig über den komplett mit Tourbussen überfüllten Parkplatz. Die grosse Frage war, wo sich der Eingang zur archäologischen Stätte befand. Souvenirgeschäfte und Restaurants, Starbucks & Subway Sandwiches zum Beispiel, reihten sich aneinander, doch von den berühmten Tempeln gleich am türkisblauen karibischen Meer war weit und breit nichts zu sehen. Entnervt fragte ich einen jungen Mann, der mir sofort eine Fahrt in einem kleinen von einem Traktor gezogenen Zug andrehen wollte, da der Eingang noch weit entfernt sei. Ich ging noch ein paar Meter weiter, doch ausser halbnackten TouristInnen und grässlichen Souvenirs war nichts zu sehen. So drehte ich um und verschob den Besuch auf ein nächstes Mal, wenn ich am frühen Morgen am Eingang stehen kann, noch bevor die ganzen Tagestouren aus Cancun und der Riviera Maya sich hier gegenseitig auf die Füsse stehen.



Mit diesem Bericht ist die "Reisen mit Kyra und Kaspar" Triologie beendet. Ich gebe zu, dass die Geschichten lange nicht so spannend sind wie die Herr der Ringe oder Hobbit Trilogien, doch ich hoffe, dass sie ein paar Leute inspiriert haben, mit Walhaien zu schnorcheln, Sisalplantagen zu erkunden, die gelbe Stadt Izamal zu besuchen, in einem Cenote zu baden, oder gar ein paar antike Steinhaufen zu besichtigen. Ich für meinen Teil freue mich auf eine Fortsetzung dieser Reise in mir noch unbekannte Gebiete der Yucatan Halbinsel, natürlich zusammen mit der besten Nichte und dem besten Bruder der Welt.



September 2015



Julia Etter & Martin Kristen