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Kuba III: Casas Particulares



Die beste, preisgünstigste und interessanteste Variante, auf Kuba unterzukommen, ist in den sogenannten "casas particulares". "Casa particular" bedeutet wortwörtlich "Privathaus", aber seit 1997, als die kubanische Regierung ihren Leuten endlich erlaubte, Zimmer oder Wohnungen an Touristen zu vermieten, bedeutet es hier "Privatunterkunft". Eine "casa particular" ist sowas ähnliches wie ein Bed & Breakfast, und kostet in der Regel zwischen 20-30 CUC pro Nacht, exklusive Verpflegung. Diese Privatunterkünfte können an einem kleinen Zeichen an der Tür, zwei blauen Dreiecken (sowas wie zwei Dächer) auf weissem Hintergrund mit der Schrift "Arrendadora Divisa", erkannt werden. Zu glauben, dass man tatsächlich im Haus echter Kubaner übernachtet, ist wohl etwas übertrieben, denn diejenigen Kubaner, die Zimmer und/oder Wohnungen vermieten können, gehören schon eher zur Elite und verfügen über Geld (oder besser harte Währung = CUC). Die "echten" Kubaner sind dann diejenigen, die in der Casa angestellt sind. 2011 wurden die Vorschriften der Regierung nochmals gelockert und Kubaner dürfen nun mehrere Zimmer vermieten. Als Vermieter müssen sie eine monatliche Steuer pro Zimmer zahlen (abhängig von der Lage) und eine zusätzliche Steuer falls sie Parkplätze anbieten. Auch die angebotenen Essen werden besteuert. Diese Steuern müssen bezahlt werden, ob die Zimmer nun vermietet werden oder nicht. Ausserdem sind die Vermieter verpflichtet, ein Verzeichnis aller Gäste zu führen und alle ankommenden Gäste innert 24 Stunden zu melden. Deshalb sollte man sich nicht wundern, wenn man, kaum hat man sein Gepäck ausgeladen, auch gleich nach dem Pass gefragt wird. Die Daten müssen peinlich genau übertragen werden, der Gast muss unterschreiben, und das dicke Buch muss danach dem zuständigen Beamten sofort (= täglich) zur Kontrolle vorgelegt und von jenem abgestempelt werden.



Vor unserer Reise hatten wir uns schon die eine oder andere Casa aus dem Lonely Planet und dem französischen Routard herausgeschrieben. Für Havanna hatten wir für die Ankunft und die Abreise ausserdem schon zwei Zimmer mitten in der Altstadt reserviert, um nicht zuerst mühsam mit Koffern und Gepäck und in einem Taxi eine Unterkunft finden zu müssen. Für den Rest von Kuba fanden wir ganz schnell heraus, dass die Casas, die im Lonely Planet aufgeführt waren, auch mehr oder weniger zuverlässig ausgebucht waren, als wir ankamen. Und so fuhren wir einfach mitten in eine Stadt hinein und suchten nach dem blauen Zeichen auf der Tür und entschieden uns spontan für eine passende Unterkunft. Ohne es zu wissen, kamen wir trotzdem ab und zu in einem Haus unter, das sogar im Lonely Planet angepriesen war. Die meisten Casas verfügen über eine Klimaanlage (im Sommer unabkömmlich), einen zusätzlichen Ventilator, und einen kleinen Kühlschrank (im Sommer ebenfalls unabkömmlich, denn so können Wasserflaschen eingefroren werden, die am nächsten Tag kühles Wasser für unterwegs produzieren). Die meisten Zimmer haben ein eigenes Badezimmer und sind nett eingerichtet. Die Eigentümer waren eigentlich durchwegs sehr nett und hilfsbereit, und nach ein paar Tagen hatten wir auch den Dreh raus, was man alles vorher fragen musste, um nachher bei der Rechnung nicht eine böse Ueberraschung zu erleben.



Nachfolgend wollen wir Euch einige der Casas vorstellen, in denen wir übernachtet haben.



Casa Ana & Surama in Havanna

In Havanna gibt es eine Unmenge von Casas und wenn man sich frühzeitig umschaut, dann findet man auch etwas passendes. Suramas Casa liegt einen Strassenblock von der Plaza Vieja entfernt und man erreicht so ungefähr alle Sehenswürdigkeiten zu Fuss, wenn man gerne und gut zu Fuss unterwegs ist, was für Havanna sowieso unentbehrlich ist. Ueber eine super enge und unvorstellbar steile Treppe muss man in den zweiten Stock hochklettern, um die Wohnung zu erreichen, was mit viel Gepäck oder grossen Koffern praktisch ein Ding der Unmöglichkeit ist. Dafür hat man oben von allen Zimmern aus eine schöne Aussicht auf die Dächer und Strassen von Havanna. Vom Treppenhaus landet man direkt in einem mit Kitsch überladenen Wohn- und Esszimmer. Die Wände im Wohnzimmer sind knallig orange gestrichen, die Fensterläden blau, opulente Kronleuchter sind wohl eher nostalgisches Decor als grosse Lichtspender, jede Abstellfläche ist mit 50-er-Jahre Kitsch vollgestellt, Porzellanfiguren, Porzellanteller, Porzellankuchenteller, Aschenbecher, etc., pp. Unser Zimmer ist (gottseidank) in blau gehalten - bei den sommerlichen Temperaturen sind in Rottönen gestrichene Zimmer trotz Klimaanlage eine Tortur. Das Zimmer ist nicht sonderlich gross, doch es ist vollgestopft mit einem grosses Bett, zwei Nachttischchen, einem Sessel, einem zusätzlichen Stuhl, einem grossen Schrank, einem kleinen Kühlschrank, und einem langen Beistelltisch mit Spiegel. Dazu gehören zwei kleine, enge Balkone, die tolle Blicke auf die umliegenden Dächer und Terrassen und bis an die Ecke der Plaza Vieja erlauben. Obwohl wir eigentlich sehr wenig Gepäck haben, ist es unmöglich, alles bequem im Zimmer unterzubringen. Die Tischchen und Kommode sind so mit Kitsch und Nippes vollgestellt, dass man jedes Mal wenn man sich umdreht Angst hat, etwas herunterzustossen.



Casa Tatica & El Chino in Viñales

Wir landen nur per Zufall bei Tatica, denn eigentlich wollten wir in einer anderen Casa unterkommen, die bei Lonely Planet hochgelobt wurde. Viñales besuchen wir gleich nach Havanna, also am Anfang der Reise, und haben deshalb noch nicht begriffen, dass die im Reiseführer erwähnten Casas eigentlich immer ausgebucht sind. Doch von der ausgebuchten Casa werden wir von der jungen Besitzerin um die Ecke geführt, wo aber auch alles ausgebucht ist, doch dann bringt sie uns auf die andere Seite des kleinen Flusses zu ihrer Freundin Tatica, die froh ist, Gäste zu bekommen. Die Zimmer sind spartanisch eingerichtet, und in der Dusche klemmt ein elektrisches Kabel am Duschkopf für die Wassererhitzung. Nachts wartet ein 3-4cm langer, gelb-braun gestreifter Gecko mit orange-braunem Schwanz an der Wand in unserem Zimmer regungslos auf Beute (jedoch nicht auf uns...). Von der Terrasse vor dem Haus haben wir gleich die Mogotes, die Karstkegel - typisch für die Gegend von Viñales - vor der Nase. Hinter dem Haus gibt es eine andere lauschige, gedeckte Terrasse, wo wir fürstlich bewirtet werden. Das Frühstück ist königlich, die Mengen reichen für eine ganze Armee. Abends dann serviert uns Tatica frittierten Fisch ohne Kopf, eine riesige Schüssel weissen Reises, Bohnen, und "papas fritas". Diese Kartoffeln sind nicht wirkliche Kartoffeln, sondern Malanga, Xanthosoma sagittifolium, eine Pflanze aus der Familie der Aronstabgewächse (es ist NICHT Tarowurzel). In Kuba gibt es die Malanga isleña, die der Tarowurzel entspricht, und die Malanga amarilla, die echte Xanthosoma sagittifolium, die in den zentralen und nördlichen Teilen von Südamerika heimisch ist und von den Spaniern nach Kuba gebracht wurde. Dazu gibt es eine weitere Variante von Malanga, nämlich sowas wie frittierte "Knödel" (Malanga mit Zwiebel gemischt), einen bunten Salat, eingelegte Chiles, und sogar frische Chiles, die Tatica schnell im Garten der Nachbarin gepflückt hat und die sie "chile de puta madre" nennt, weil sie so scharf sind. In Viñales gibt es eine Unmenge an Casas und es wundert einen richtig, dass die alle Geschäfte machen können. Alleine in "unserer" Strasse vermietet jedes zweite Haus Zimmer. Die Häuser sind durchwegs bunt gestrichen, ein Haus vanillegelb und blutrot, die Fensterrahmen weiss, die Schaukelstühle rosarot, der Zaun weinrot, und sogar der Wassertank auf dem Dach ist bemalt. Oder das alles in Blau-, Grün-, oder Gelbtönen. Dazu kommen die tropischen Pflanzen und in Viñales oft auch eine uralte Microcycas calocoma, eine endemische Pflanze dieser Gegend, als Schattenspender vor dem Haus. Ein Spaziergang führt uns über den Fluss an den letzten Häusern vorbei direkt in die Felder an einen spiegelglatten See, in dem sich die Mogotes am Morgen wunderbar spiegeln.



Casa de Elena & Casa Tropical SG in Pinar del Rio

Als wir in Pinar del Rio ankommen, regnet es in Strömen. Die kleine Karte im Lonely Planet mit den besten Casas ist veraltet oder wir suchen am falschen Ort, denn die Casa, in der wir unterkommen wollen, ist beim besten Willen nicht zu finden. Die wenigen Leute, die wir im Regen antreffen, wollen uns partout nicht verstehen und haben keine Ahnung, wo die von uns gesuchte Casa ist, und als wir es dann doch nach endlosen Runden schaffen, sind die Zimmer, wie üblich, ausgebucht. Irgendwie landen wir bei der Casa de Elena, deren Vermieterin Surama heisst. Aus lauter Verzweiflung bleiben wir hier, obwohl unser Zimmer winzig ist und zuviel Geld kostet. Jean-Marc und Lupita kommen in der Casa Tropical SG unter, wo es wesentlich geräumiger und freundlicher ist. Beim Nieselregen sitzen wir trotzdem auf der Terrasse und geniessen ein Bier, das uns nachher zu einem horrenden Preis verrechnet wird. Und deshalb lernen wir schnell dazu und bestellen nichts mehr, ohne uns vorher nach dem Preis erkundigt zu haben. Das Nachtessen besteht aus viel frittiertem Huhn und nachdem wir vollgestopft ins Bett sinken, beschliessen wir, in Zukunft nur noch für eine Person Nachtessen zu bestellen. Ein junges deutsches Ehepaar mit zwei Kleinkindern, die das zweite Zimmer bewohnen, ist ebenfalls der Meinung, dass man bei dieser Surama ausgenommen wird wie die Weihnachtsgans, und erzählen uns nebenbei von ihrem abenteuerlichen Urlaub, v.a. wieviel Mühe es sie kostet, Babynahrung und Windeln zu finden.



Casa Amigos del Mundo in Cienfuegos

Wir parken so ungefähr im Zentrum von Cienfuegos und schauen uns eine Casa an, die allerdings nicht in Frage kommt. Die Besitzer aber rufen dann um die Ecke an und wir werden zur Casa Amigos del Mundo gelotst, die, wir können es kaum glauben, erstens im Lonely Planet empfohlen wird und zweitens auch noch Zimmer für uns frei hat. Alles hier gefällt uns auf Anhieb sehr gut. Zur Tür herein stolpert man direkt ins Wohn- und Esszimmer der Familie, danach folgen die Zimmer, die kühl und grosszügig sind, eines hat sogar einen kleinen Privat-Patio, und alle gehen auf einen schön bepflanzten, luftigen Gang hinaus. Das beste ist die Dachterrasse einen Stock höher, wo wir unser Lieblingsbier, das dunkle Bucanero, geniessen und dann vor einem kräftigen Gewitter wieder nach unten fliehen müssen. Das erste Nachtessen fällt wie üblich zu reichlich aus, deshalb bestellen wir für den nächsten Abend pro Paar nur noch eine Portion und bekommen trotzdem vielzuviel, denn die Köchin hat Erbarmen mit uns und bereitet doch wieder ein Festmahl zu. Zum Frühstück gibt es frische tropische Früchte, frischen Mangosaft, den üblichen, geschmacklosen Gummikäse, die scheusslich künstlich aussehenden Wurstscheiben, Eier nach Lust und Laune (revueltos, also Rühreier, oder en torta, auf beiden Seiten gebratene Spiegeleier). Mit der Besitzerin, die gleichzeitig auch die Köchin ist, kommen wir Frauen bald ins Gespräch, und kaum haben wir fertig geschlemmt, reden wir schon wieder vom Essen. Dafür bekommen wir am nächsten Morgen "Fotzelschnitten à la Cubana" vorgesetzt, zu deutsch auch "arme Ritter" genannt.



Hostal Familia Liván in Sancti Spiritus

Wir versuchen es wieder einmal bei einer Lonely Planet Casa, ohne Erfolg. Doch gleich gegenüber kommen wir bei der Familie Liván unter, die einen sehr geschäftstüchtigen Eindruck macht. Die Zimmer sind neu eingerichtet, die Badezimmer auch auf dem neuesten Stand, es gibt eine schöne Dachterrasse mit Sicht auf viele Ziegeldächer, Wäscheleinen und Kirchtürme. Martin und ich wollen eigentlich in einem Restaurant um die Ecke etwas essen gehen, doch als wir ankommen, fällt der Strom aus. Es reicht noch für zwei gut gekühlte Biere und eine nette Konversation mit dem Kellner, doch dann schliesst das Restaurant, da es mittlerweile stockdunkel geworden ist. Jean-Marc und Lupita versuchen ihr Glück in einem anderen Stadtteil, wo es zwar Strom gibt, doch sie müssen ewig in der Schlange stehen, bis sie endlich einen Tisch im Restaurant zugewiesen bekommen. In unserer Casa gibt es auch keinen Strom und die Familie hat überall Kerzen aufgestellt. Im Zimmer herrscht zwar jetzt eine romantische Atmosphäre, doch ohne Klimaanlage und Ventilator ist es kaum auszuhalten, doch Liván lädt uns auf ein Bier ein. Aus einem Bier mit dem erweiterten Familienkreis und den Nachbarn werden bald mehrere Biere, doch Liván offeriert weiter kaltes Bier auf Kosten des Hauses und wir verbringen einen angeregten Abend, bis kurz nach Mitternacht der Strom wieder kommt, alle applaudieren und wir es mit der Klimaanlage nun auch im Zimmer wieder aushalten können.



Hostal Humberto in Pilón

Wir übernachten in Pilón, weil es der beste Ausgangspunkt ist, um die fast 200km lange Küstenstrasse nach Santiago de Cuba unter die Räder zu nehmen. Pilón ist ein Nest, ein staubiges Dorf am Meer mit einem steinigen Strand, einer Tankstelle, einem staatlichen Laden, und einer Pizzeria am Busbahnhof. Es gibt einige wenige Häuser, an deren Türen wir das blaue Zeichen der casas particulares entdecken. Nachdem wir uns ungefähr alle drei Casas angeschaut haben, entscheiden wir uns für das Hostal Humberto. Jean-Marc und Lupita dürfen heute auswählen und entscheiden sich verständlicherweise für das Zimmer im ersten Stock, wo man einen angenehmen Luftzug fühlt und direkt auf eine grosse Dachterrasse unter riesigen Mangobäumen heraustreten kann. Für uns bleibt nur das Zimmer, oder besser das dunkle Loch im Erdgeschoss übrig, wo man tatsächlich klaustrophobisch werden kann, auch wenn man sonst keine Probleme mit engen Räumen hat. Die Zimmer sind ziemlich einfach, doch es funktioniert alles und dem Garten nach zu urteilen scheinen Humberto oder seine Mutter einen grünen Daumen zu haben. Humberto organisiert uns Eiswürfel und so probieren wir also endlich einmal einen Cuba Libre, angemacht mit kubanischem Rum und TuKola, der kubanischen Version von Coca Cola. TuKola ist allerdings wie vorausgesagt ungeniessbar und der Rum schmeckt wesentlich besser nur mit Eiswürfeln gekühlt. Humberto empfiehlt uns das Restaurant Mirador mit tollem Blick aufs Meer, doch leider ist es am Montag geschlossen, deshalb landen wir in der Pizzeria La Central am Busbahnhof, wo uns ein spottbilliges Mittagessen serviert wird: 4 Pizzas für 1 CUC. Es gibt die Wahl zwischen Pizza napolitana, Pizza mit Zwiebeln oder Wurst (die aussieht wie Wienerli), ausserdem werden Spaghetti angeboten, die eher einer chinesischen Nudelsuppe mit Käsestücken ähnlich sehen. Abends hat dann alles geschlossen, sogar in der Pizzeria La Central ist das Essen ausgegangen. Das lokale Kino ist auch geschlossen, und so bleibt uns nur noch eines: mehr Rum auf der Terrasse unter dem Mangobaum trinken.



Casa de Roy in Santiago de Cuba

Santiago de Cuba, die zweitgrösste Stadt der Insel, ist wirklich ziemlich gross, die Strassen und Gassen sind eng, es gibt zuviel Verkehr, und es ist schwierig, eine Casa zu finden, da wir ja zwei Zimmer brauchen, v.a. auch weil wir es geschafft haben, genau zur Zeit des "Festival del Caribe" mit Musik und Strassenumzügen anzukommen. Wir werden von einem Ort zum nächsten geschickt und teilen uns schliesslich auf. Wir bleiben bei Roy und die beiden anderen kommen etwas weniger modern um die Ecke bei einer Familie unter. Bei Roy ist alles sehr geschmackvoll eingerichtet, die Badezimmer sind modern, und es gibt eine wunderschön begrünte Dachterrasse mit Sicht, wo das Frühstück oder nach Wunsch und Voranmeldung auch Mittag- oder Nachtessen bei Kerzenlicht serviert wird. Die Angestellten sind alle sehr nett und hilfsbereit und Roy verwaltet seine Casa, die eher schon wie ein Hotel anmutet, sehr kompetent.



Don José in Cajobabo

Eine weitere Strecke ohne Uebernachtungsmöglichkeiten führt uns von Guantanamo über Cajobabo nach Baracoa. Eigentlich haben wir keine Ahnung, ob es in Cajobabo eine Unterkunft gibt, oder ob wir bis nach Baracoa durchfahren müssen. Die Strecke zieht sich in die Länge, v.a. weil hier die schönste kubanische Agave, A. albescens, wächst und auch die Melokakteen entlang der Küste immer wieder fotografiert werden müssen. Schliesslich kommen wir am späten Nachmittag an die Abzweigung ins Dorf Cajobabo und erkundigen uns gleich nach einer casa particular. Es gibt weder ein Hotel noch eine casa particular, nur einen campismo, für den wir aber nicht ausgerüstet sind. Die Rettung heisst Don José, der ein Restaurant führt und geschäftstüchtig auch Zimmer vermietet (sofern wir das beurteilen können illegal). Wir finden je ein Zimmer, eines in seinem Haus, das andere bei seiner Nichte. Beide Zimmer müssen zuerst schnell hergerichtet werden, denn Familienmitglieder wohnen normalerweise darin. Unser Zimmer ist spartanisch eingerichtet, blau gestrichen und beinhaltet ein katastrophales Bett mit komplett durchgelegener Matratze und einen Ventilator. Das Badezimmer ist nebenan, das WC hat keine Klobrille, die Dusche würden wir im Notfall, der glücklicherweise nicht ansteht, ausprobieren, es gibt kein Klopapier (ein deutscher Rucksacktourist hat das Papier und die Seife mitlaufen lassen - stelle sich einer das nur vor!). Nach einem kalten Bier fahren wir erst einmal an den Strand und baden im warmen Wasser. Danach gibt es mehr Bier und das von uns vorher bestellte Nachtessen bekommen wir an einem langen Holztisch unter einem Mangobaum serviert. Es gibt frittierten Fisch, einen riesigen, zähen Hummer (Grossvater), viel Reis, gebratene Bananen, Mango, und einen Salat aus grünen Bohnen, die hier habichuela heissen. Don José's Bar und Restaurant scheint ein Treffpunkt auch für lokale Einwohner zu sein, denn es kommen später tatsächlich noch mehr Gäste. Nach dem Essen spazieren Martin und ich im Dunkeln noch bis ans Meer, und als wir die Taschenlampe anmachen, um zu sehen, was sich denn vor uns bewegt, wandert eine Riesenkrabbe, eine kubanische Landkrabbe oder Gecarcinus ruricola, über die Strasse, bleibt stehen und beäugt uns neugierig. Der Nachthimmel ist übersät mit Millionen von Sternen und es gibt keine einzige Strassenlaterne oder sonstiges störendes Licht, das diese Sternenpracht mindern könnte.



Casa Mery & Luis in Baracoa

In diesem hellblauen, mehrstöckigen Haus kommen wir fast ganz oben in sehr grossen Zimmern mit je zwei grossen Betten und modernem Badezimmer unter. Baracoa liegt am Meer und man braucht höchstens einen Ventilator, denn die oberen Zimmer sind wunderbar gut belüftet. Eine Treppe führt auf eine Dachterrasse, wo man über die ganze Stadt und aufs Meer sieht. Wir halten uns an die Lonely Planet Empfehlung und genehmigen uns ein Mittagessen bei "El Buen Sabor". Der "Pescado en Leche de Coco" schmeckt hervorragend, der Service ist perfekt und der Kellner spricht sogar ein bisschen deutsch. Abends sitzen wir auf der Terrasse in bequemen Liegestühlen. Auf der anderen Strassenseite feiert ein Greis an Krücken seinen Geburtstag mit laut dröhnender kubanischer Musik, er scheint die Musik für sich alleine voll aufgedreht zu haben, denn Gäste sehen wir keine.



Casa de la Sra. Marvelia Cabrera Mulet in Holguin

Holguin ist eine eher moderne Kleinstadt und wir fahren mal auf gut Glück ins Zentrum und halten nach dem blauen Zeichen Ausschau. Wir schauen uns zwei Casas an, doch irgendwie gefallen uns beide nicht besonders gut. Schliesslich werden wir zu Marvelia geschickt, wo wir im ersten Stock in zwei extrem geräumigen Zimmern unterkommen. Die Einrichtung ist zwar Geschmackssache, für uns geht es etwas stark in Richtung "Gelsenkirchener Barock", doch die Betten sind extrem bequem, es gibt einen Kühlschrank, einen Schminktisch (den wir, oder besser ich, nicht brauche), bequeme Sessel, und auf einer kleinen Terrasse vor dem Zimmer zwei Schaukelstühle. Das Badezimmer ist mit modernsten deutschen Armaturen ausgerüstet, die die Besitzerin von einem Besuch bei ihrer Tochter in Leipzig mitgebracht hat. Das Bettzeug und die Handtücher sind von sehr guter Qualität, laut Besitzerin alles Ware, die kanadische Gäste im Tausch gegen freie Uebernachtungen mitgebracht haben. Ein Zimmer kostet 25 CUC. Eine Haushaltshilfe bei Marvelia verdient 30 CUC im Monat, was für kubanische Verhältnisse gar nicht so schlecht ist. In Holguin machen wir auch zum ersten Mal mit einem Jinetero Bekanntschaft. Jineteros sind Männer, die versuchen, mit Touristen Geld zu machen. (Jineteras sind meistens Prostituierte) Wir sitzen am frühen Abend am Hauptplatz in einer Bar und bestellen Mojitos. Martin entscheidet sich für Bier, doch es gibt nur Cristal, ein helles, ziemlich geschmackloses Bier. Am Nebentisch sitzt ein junger Mann, der sich anerbietet, für Martin ein Bucanero zu suchen. Als er tatsächlich mit dem dunklen Bier zurückkommt, setzt er sich an unseren Tisch und wir reden über Gott und die Welt, und v.a. über Kuba. Schliesslich offeriert er, dass er uns zum Restaurant seines Onkels auf der anderen Seite des Hauptplatzes führen würde, damit wir sehen könnten, ob es uns dort gefallen würde. Als wir schliesslich vor die Bar treten, verschwindet er, um ein Taxi zu holen. Das kommt uns dann doch etwas seltsam vor, denn besagtes Restaurant sollte ja gleich auf der anderen Seite des Platzes sein. Doch nun meint er, er würde uns doch woanders hinführen. Das Taxi fährt um 50 Ecken und entlädt uns schliesslich keine 100 Meter vom Hauptplatz, was wir aber erst später merken, denn wir sind gefühlte Kilometer in eine unbekannte Nachbarschaft gefahren. Das Restaurant ist tiefgekühlt, doch als wir es wieder verlassen wollen, gibt es einen Raum, wo die Klimaanlage nicht auf Minusgrade eingestellt ist. Also schauen wir uns das Menu an, doch es gibt kein Gericht, das weniger als 19 CUC kostet, fast soviel wie üblicherweise eine Uebernachtung für zwei Personen. Essen für vier Personen wären also grade mal soviel wie fünfmal übernachten für zwei Personen. Und essen ohne trinken macht ja auch keinen Spass, also verlassen wir das überteuerte Lokal wieder und verabschieden uns von unserem netten Führer, nachdem er uns sofort ein nächstes Lokal, das eher unserem Budget entspricht, empfehlen will. So finden wir auch heraus, dass wir nicht kilometerweit vom Hauptplatz entfernt sind, sondern nur zwei Strassenecken.



Casa Ivan & Lucy in Camagüey

Wir kommen ziemlich spät in Camagüey an und alle Casas, die wir anfahren, sind schon besetzt oder es riecht so furchtbar, dass Lupita und ich schon an der Türe darauf verzichten, auch nur einen Fuss in das Haus zu setzen. Schliesslich werden wir zu Ivan & Lucy geführt, die zwei freie Zimmer haben. Alles ist sehr barock, oder besser im Gelsenkirchener Barock, eingerichtet, der Eingangsbereich ist komplett überladen mit Spiegeln, Kronleuchtern, Beistelltischen, Porzellantieren, überdimensionalen Schlümpfen neben einem Aquarium, und Porzellanfiguren aus der Zeit Mozarts. Ivan & Lucy empfehlen uns den Paladar "Mesón del Principe". Ein Paladar ist ein von Privatpersonen betriebenes Restaurant, wo das Essen oft billiger und v.a. besser ist als in den staatlichen Restaurants. Wir bekommen die besten Mojitos der bisherigen Reise und auch das Essen ist ausgezeichnet. Das Frühstück in der Casa ist nicht schlecht, nur die Avocados vom Baum, die das Dienstmädchen zusammenräumt, sind anscheinend ungeniessbar, lässt uns Lucy ausrichten. Unsere Interpretation ist eher, dass sie uns nichts davon abgeben will. Es gibt erstaunlich viele Angestellte hier (wir sehen drei), die ja alle bezahlt werden müssen, und die Besitzer hinterlassen keinen sehr freundlichen Eindruck.



Casa Mirta in Morón

In Morón, Ausgangspunkt für Ausflüge nach Cayo Coco und Cayo Guillermo, einer ziemlich hässlichen Stadt mit einem sehenswerten Jugendstil Bahnhof, kommen wir in zwei nebeneinanderliegenden Casas mit Dachterrassen unter. Das Nachtessen geniessen wir in der Casa Mirta. Die Besitzer sind beide Aerzte, verdienen aber wesentlich besser mit der Casa. Zur Vorspeise wird uns eine leckere Krabbensuppe serviert, danach gibt es wunderbar gegrillten Fisch und Riesencrevetten, frittierte grüne Bananen, ausgebackene süsse Bananen, einen Gemüseteller, Reis, und mit Kreuzkümmel gewürzte Bohnen. Das Dessert ist ein grosser Früchteteller. Alles schmeckt hervorragend und das Besitzerehepaar hat sichtlich auch Spass daran, und das Talent dazu, den Gästen ausgezeichnetes Essen zu servieren.



Casa La Paloma in Remedios

Remedios ist eine wunderschön renovierte Kleinstadt (jedenfalls das Zentrum und seine Fassaden), die immer noch ein touristischer Geheimtip ist. Wir finden gleich am Hauptplatz in einem alten Kolonialhaus eine Unterkunft. Es sind tolle alte Zimmer mit unglaublich hohen Räumen, und vom "Aufenthaltsraum" mit kitschiger Einrichtung und bequemen Sesseln und Sofas kann man das Treiben auf dem Hauptplatz beobachten. Dazu gehört auch Jack, ein anhänglicher Hauskater und ein Restaurant mit eher schlechtem Essen.



Casa ??? in Matanzas

Matanzas wird auch "la Atenas de Cuba", das Athen von Kuba, genannt. Die Innenstadt ist chaotisch, alles sieht ziemlich verdreckt und von Autoabgasen verschmutzt aus, der Verkehrslärm und Abgasgestank sind überwältigend, und alle Zimmer besetzt oder reserviert, was uns alle etwas gereizt macht. Schliesslich fahren wir auf eine Empfehlung hin nach Playa Matanzas und haben schon beim zweiten Haus Erfolg, von dem wir leider den Namen nicht aufgeschrieben haben, deshalb die drei Fragezeichen. Es liegt drei Blöcke von "Strand" und Hauptstrasse entfernt und uns gehört das ganze Parterre mit einem schönen Patio. Das Nachtessen bestellt die umtriebige Mutter der Besitzerin bei einem Paladar, aber sie gibt dort an, dass es für die unverhofft eingetroffene Verwandtschaft sei, was einen wesentlich besseren Preis bedeutet. Für 17.50 CUC bekommen wir vier Portionen Riesencrevetten mit allem Drum und Dran direkt ins Haus geliefert. Das Drum und Dran besteht aus einer riesigen Schüssel Riesencrevetten, Schüsseln mit "moros y cristianos" (weisser Reis mit schwarzen Bohnen), einer Platte mit Gurke und Boniato (Ipomoea batatas, die kubanische Süsskartoffel, die aber nicht so süss wie die orangen Süsskartoffeln sind und weisses Fleisch haben). Dazu macht uns besagte Mutter noch gebratene Bananen. Alles wird in Tupperware geliefert und muss sofort in eigenes Geschirr umgefüllt werden. Die Suche nach Bucanero, unserem Lieblings Bier, ist zeitaufwendig wie so vieles in Kuba, doch von Erfolg gekrönt, und wir kaufen zur Sicherheit gleich den ganzen Vorrat auf. Nach dem Essen entlädt sich ein riesiges Gewitter mit sintflutartigem Regen über uns, doch wir sitzen gemütlich auf dem gedeckten Patio mit Bier und kubanischen Zigarren. Das Frühstück ist reichlich, es gibt sogar ein getoastetes Sandwich aus einem Panino-Ofen und Avocados vom Baum im Garten hinter dem Haus. Abends fahren wir zu "Lino's" für Pizza. Vier Pizzas mit Chorizo und zwei Bier kosten 13.50 CUC, was so viel (oder wenig) ist wie der junge Mann in Varadero, DEM Touristenort par excellence in Kuba, beim 500-jährigen Riesenkaktus (Dendrocereus nudiflorus) als Wächter in einem ganzen Monat verdient.



Zuletzt verbringen wir nochmals zwei Nächte in der Casa Ana & Surama in Havanna. Natürlich können wir hier nur einen kleinen Einblick in die Welt und Vielfalt der casas particulares in Kuba geben, und wir haben auch lange nicht alle Casas erwähnt, wo wir übernachtet haben. In den verschiedenen Reiseführern werden immer die ungefähr gleichen Casas angepriesen, die dann meist schon ausgebucht sind. Da wir von Mexiko her schon gewöhnt sind, auf gut Glück irgendwo anzukommen und eine Unterkunft zu suchen, waren diese Casas für uns die beste und billigste Variante. Mit ein bisschen Abenteurlust, die man ja eh haben muss, wenn man auf eigene Faust in einem fremden Land unterwegs ist, findet man aber bestimmt an jedem Ort eine Unterkunft, manchmal muss man halt ein paar Abstriche machen, dafür wird man andernorts positiv überrascht.



Juli 2016



Julia Etter & Martin Kristen