travelog 2



Höhlenmenschen die Zweite, Spider Cave



Wir stehen also pünktlich mit Knieschonern und Handschuhen bewaffnet auf der Matte. Dazu bekommt man einen Helm mit Stirnlampe. Dann wandert man einen kleinen Canyon hinunter, wo sich unten das Einstiegsloch befindet. Vor diesem Einstiegsloch hält der Ranger, der die Tour führt, eine kleine Ansprache und meint, dass es in dieser Höhle nicht nötig sei, sich fest anzuziehen, da es sich um eine "warme Höhle" handle. Also lassen wir beide unsere Jacken und Pullover in einem kleinen Rucksack zurück und treten die Tour nur mit einem leichten T-Shirt bekleidet an (was sich als Fehler erweisen sollte). Nun geht es durch ein Loch im Boden (man kommt sich vor wie ein Kanalarbeiter...) über eine (notabene nur einfach so hingestellte, nicht befestigte) Leiter in die Tiefe. Gottseidank sind's nur ein paar Meter. Unten angekommen folgt gleich die erste Kriechtour auf dem Bauch. Leider besitzen wir keine Ellbogenschützer, die wären ganz nützlich gewesen bei der Robberei ! Der Boden ist bedeckt mit etwas grösseren und scharfkantigen Steinchen, die einem sehr schön in's Fleisch schneiden. Da man durch die niedrige "Bauhöhe" des Ganges nicht auf allen Vieren kriechen kann, müssen also die blossen Unterarme und Ellbögen herhalten. Man gönnt sich ja sonst nix !



Das erste Loch ist einigermassen zu bewältigen, beim zweiten gibt es schon die grösseren Probleme. Martin schaufelt einige Steine auf die Seite, doch nach dem Durchrobben füllen sich die Steine automatisch wieder im Loch auf, weil man mit Armen, Händen und Füssen am Treten, Klammern, Würgen und Schieben ist, um durch den engen Schlund durchzupassen. Natürlich muss man dies mit seitwärts gedrehtem Kopf tun, weil sonst der Helm (und damit die Birne) nicht durch die Lücke passen würde ! Da Martin nicht genügend Steine aus der Oeffnung rausschaufelt, bevor er sie mit seinem Brustkasten "füllt", muss er auch gewaltig flach atmen, um grad noch so durchrutschen zu können.



Nachher witzeln wir, wie gut es ist, dass Martin schon diverse Kilos abgenommen hat, ansonsten er erbärmlich steckengeblieben wäre... Nach dem engen Schlund ist man schon nass geschwitzt und ganz froh, als der Ranger verkündet, dies wäre die schlimmste Stelle gewesen - und denkt natürlich (noch) nicht daran, dass man hier auch wieder hinaus muss...



Was jetzt kommt ist alles erträglich, es darf geklettert, herumgerutscht, auf allen Vieren gekrochen, über tiefe dunkle Schlünde gekraxelt und balanciert werden (einer heisst passenderweise "Grand Canyon" !), nach einigen Metern gibt man es auf, auf seine Kleider aufzupassen, sie haben sowieso eine Waschmaschine nötig. Dafür wird die "Umwelt" immer spannender, an der Decke hängen kleine weisse Kristalle, weiter hinten werden die Gebilde immer grösser, verbinden sich mit dem Boden, spiegeln sich in klaren Wassertümpeln und sind irrsinnig filigran. Ohne Führer würden wir uns verlaufen, oder besser verkriechen, es gibt unendlich viele Löcher und Durchgänge. Als ErsteR in der Gruppe bekommt man ein ganz neues Gefühl, die Stimme hallt in den Hohlräumen vor einem, man sieht alles nur im Schein der eigenen Stirnlampe und hat die qualvolle Wahl zwischen 'zig Löchern !



Am schönsten Ort dieser Höhle, "Cactus Springs" genannt, setzen wir uns eine Viertelstunde auf den leicht feuchten Boden. Hier erzählen die Ranger die Entdeckungsgeschichte der Höhle und einige witzige Anekdoten. Und so erfahren wir auch, warum die Höhle "Spider Cave" heisst. In den 30er-Jahren habe der Entdecker der Höhle mit seinem Freund das erste Mal die Höhle erkunden wollen. Es war Spätsommer. Der erste von den beiden muss etwas geschockt gewesen sein, denn als er den Kopf in die enge Oeffnung steckte, sah er nur Hunderte von riesigen Spinnen - und überliess dann blitzartig dem Kollegen den Vortritt ! Gottseidank ist es jetzt Winter und es sind keine Spinnen da, denken wir uns und nehmen uns insgeheim vor, nie im Sommer auf Höhlentour zu gehen. Auch wenn die Spinnen nicht giftig sind, so wird es sicherlich ein spezielles "Vergnügen" sein, sich durch Kolonien von Gross-Spinnen durch eine solche enge "Pipeline" zu wursteln ! Eine zweite Geschichte handelt davon, dass selbst der Entdecker nach vielen Besuchen dieser Höhle mal den Ausgang nicht mehr fand und mit seinen Gästen 36 Stunden ausharren musste, bis ein Freund, der wusste, dass sie in der Höhle waren, sie rausholen kam. Die Ranger benützen die Geschichte gleich auch noch, um zu demonstrieren, wie dunkel es in einer Höhle ist und dass es ohne Licht keinerlei Fortkommen darin gäbe. Es werden also alle Lichter gelöscht und man sitzt schweigend und ganz flach atmend in absoluter Schwärze.



Aufstehen, das hiesse sich den Kopf irgendwo anzuschlagen. Dann wird - echt amerikanisch - ein "Höhlenregister" nachgetragen, jedeR muss sich in eine Papierrolle eintragen, die dann in der Höhle verbleibt und eines Tages im Nationalpark-Archiv schubladisiert wird (wer wird denn schon je nachschauen gehen, ob wir beide mal in dieser Höhle waren oder nicht !?). Wir bestaunen die Höhle, in der wir uns befinden. Eine (anscheinend seltene) Gipshöhle. Schneeweisse Formationen, die teils in bizarren Formen aus dem Boden wachsen oder von der Decke hängen und ganz witzige Figuren, die wie weisse Pflanzen aussehen, die aus dem Boden spriessen, die aber dadurch zustande kommen, dass Tropfen unendlich lange und unendlich oft von der Decke auf immer dieselbe Stelle fallen und das Wasser dabei wegspritzt - diese Spritzer "bauen" dann in Jahrtausenden oder Jahrhunderttausenden diese Gebilde...



Unsere Ranger kennen sich aus und wir finden problemlos zurück - es soll auch schon andere gegeben haben, die stundenlang herumgeirrt und gekrochen sind, nur hat denen der Ranger erzählt, er würde sie auf eine Spezial Sightseeing-Tour führen... Zum Schluss kommt eben leider wieder dieser furchtbar enge Schlund, dann geht's die Leiter hoch ans Tageslicht und das erste für mich ist ein grosser Schluck Wasser, für Martin eine Fluchtirade über diese Höhlenkriecherei. Ihm kommt das engste Loch knapp vor dem Ausstieg noch enger vor und ihm bohren sich die spitzen Steine richtiggehend in den Brustkorb, was ihm kleinere und grössere Blutergüsse über den ganzen Brustkorb verteilt einbringt. Selbst das Unterhemd hat Blutflecken und die Ellbögen sind aufgeschürft. Na Prost !



Nach 1 1/2 Wochen sind die blauen Flecken endgültig gelb geworden und verblassen langsam, doch die nächste Tour ähnlichen Stiles werden wir wahrscheinlich erst in einem halben Jahr wieder wagen - dann ist ja Sommer ! Nein, wir lassen es lieber ein Jahr lang !



Februar 1998



Julia Etter & Martin Kristen