travelog 63






Oaxaca



Oaxaca war schon immer eines unserer Traumziele. Vor 10 Jahren, auf unserer ersten Mexikoreise, besuchten wir die Stadt zum ersten Mal und waren fasziniert. In den 10 Jahren hat sich einiges geaendert, doch faszinierend ist die Stadt immer noch. Wir sind deshalb auch nicht die einzigen Touristen, die sich die Sehenswuerdigkeiten in und um die Stadt herum ansehen. In den engen Strassen kommt man mit dem Auto oft nicht gut vorwaerts, weil zweispurig geparkt wird, Busse Passagiere aussteigen lassen, Taxis auf Kundschaft warten, Waren verladen werden, oder gerade ein Protestmarsch einer Gruppe von Indios aus den Bergen Oaxacas stattfindet. Die meisten tragen es mit Fassung und warten geduldig, nur wenige hupen, was in der Stadt Oaxaca uebrigens offiziell verboten ist. Am besten aber parkt man sein Auto und macht sich zu Fuss auf den Weg. Die Hotelsuche gestaltet sich fuer uns einfach, v.a. weil wir im Besitz des Moon Handbooks von Mexico sind. Zwar sind die beiden Hotels, die wir fuer unseren Aufenthalt mit Schweizer Besuch ausgesucht haben, voellig falsch eingezeichnet und mindestens eines davon sieht nicht danach aus, als ob es in unserer Preisklasse liegen wuerde. Trotzdem wagen wir den Versuch und werden belohnt. Das Hotel CasAntica hat den Namen gewechselt, ist aber immer noch im Besitz der gleichen Familie, die es einer gruendlichen Renovierung wahrscheinlich zu seinem besten unterzogen hat, was sich allerdings auch in den Zimmerpreisen niederschlug. Doch als wir uns nach dem alten Namen des Hotels erkundigen, verschwindet die junge Dame kurz und offeriert uns das Zimmer nachher zu den ehemaligen Preisen, wohlgemerkt der Haelfte des heute geltenden Preises. Sowas kann einem auch nur in Mexico passieren !



Der Zocalo mit den riesigen schattenspendenden Baeumen und dem huebschen Pavillion ist ein guter Startpunkt fuer eine Stadterkundung zu Fuss. In welche Richtung man sich auch wendet, irgendetwas Interessantes findet man ueberall, sei es einer der vielen Maerkte, Staende mit Kunsthandwerk aus den umliegenden Doerfern, oder auch nur eine kleine Strasse mit bunten Haeusern und gruenen Innenhoefen. In der Fussgaengerzone kann man wunderbar entlang von unzaehligen kleinen Geschaeften schlendern, bis man den schoenen Sachen nicht mehr widerstehen kann. Die Haeuser sind hier meist renoviert und bunt bemalt. Gewagte Farbkombinationen und knallige Kontraste ziehen das Auge auf sich. Bluehende Bougainvilleen, Palmen, duftende Zitrusbaeume und wunderbar begruente Innenhoefe und Dachterrassen begeistern uns immer wieder. In der bunten Masse von Indios, Studenten, Arbeitern und Hausfrauen fallen die Touristen gar nicht so auf, ausserdem konzentrieren sie sich an strategischen Punkten und die meisten wagen sich nicht gross abseits der ueblichen Trampelpfade.



Um die Ecke des Zocalo befindet sich der Mercado Juarez. Ausserhalb des Marktes bieten fliegende Verkaeufer Fruechte, Gemuese, suesse Broetchen und Chapulines an. Uns interessieren vor allem letztere, die geroesteten Grashuepfer, die in allen Groessen angeboten werden. Die kleinen sollen die geschmackvollsten sein und fuer 10 Pesos erstehen wir eine kleine Tuete. Ein weiterer Vorteil der kleinen Chapulines ist, dass man beim Essen die Fluegel und Beine nicht so gut sieht. Mutig probieren wir eine kleine Handvoll - und sind enttaeuscht. Die Chapulines schmecken wie trockenes Gras mit etwas Chili und Limesaft. Die Verkaeuferinnern lassen uns allerdings nur fotografieren, nachdem wir etwas gekauft haben. Der Markt selber ist in Sektionen aufgeteilt, wie ueberall in Mexico ueblich. Weisse Baumwollkleider und bunt bestickte Blusen, Haengematten, schwarze Keramik, Holzkellen und -loeffel, geflochtene Koerbe, aber auch der uebliche Kitsch wird hier angeboten. Gleich daneben kann man sich mit mexikanischer Schokolade, verschiedenen Molepasten, Frischkaese, Vanille, Kaffee und Kakaobohnen eindecken. Im dunklen Herzen des Marktes dann finden wir bunte Plastiktaschen mit unterschiedlichen Motiven. Besonders beliebt scheint momentan die Virgen de Guadalupe, die Schutzheilige Mexicos, zu sein. Aber es gibt auch interessante Fruechte und Gemuese zu kaufen und am suedlichen Ende sogar Fisch, Fleisch und Gefluegel. Wechselt man die Strassenseite kommt man zu den Fressbuden, die alle unter einem Dach vereinigt sind. Sich durch diese Halle durchzukaempfen erfordert einiges an Geduld. Von jedem Stand rufen einem Frauen und Maedchen entgegen, was sie einem alles zum Essen anbieten koennen. Eigentlich offerieren alle das gleiche zu ungefaehr gleichen Preisen, so muessen sie sich eben in der Ankuendigung uebertrumpfen. Kaum hat man sich dann fuer eine Ecke entschieden, reihen sich schon die fliegenden Haendler auf und wollen einem Schmuck, gehaekelte Decken und vieles mehr andrehen. In Ruhe sitzen kann man auch hier kaum.



Am Samstag, dem grossen Markttag in Oaxaca, ist besonders der Mercado de Abastos einen Besuch wert. Auf dem riesigen Areal kann man sich leicht verlaufen und es ist immer wieder spannend, an welcher Ecke man ans Tageslicht kommt, nachdem man im halbdunklen Markt drin alle moeglichen Gassen erkundet hat. Natuerlich ist auch hier alles in Sektionen aufgeteilt, doch dazwischen lockern Marktfrauen das Bild auf, die an jeder Ecke Gemuese, Chiles, Tortillas, oder unbekannte Fruechte und Gewuerze anbieten, die sie aus ihrem Dorf mitgebracht haben. Besonders toll ist die Keramiksektion, wo man sich an all den wunderschoenen Schuesseln und Blumentoepfen fast nicht sattsehen kann. Aber auch die unheimliche Variation in der Chile-Abteilung ist jedes Mal verfuehrerisch. In der Mitte des Marktes, wo einem die eigene Nase sowieso frueher oder spaeter hinfuehrt, wird Schokolade hergestellt und es gibt immer ein Stueckchen zum probieren. Gleich daneben werden riesige Brotlaibe angeboten. Und gegenueber gibt es einige Staende, die so aehnlich wie ein Delikatessenbueffet aufgebaut sind. In Zuerich wuerde man sich bei Jelmoli oder Globus dumm und daemlich zahlen, doch hier gibt es die kleinen Haeppchen schon fuer wenig Geld. Fuer uns natuerlich immer interessant ist die Ecke, wo Blumen und Pflanzen verkauft werden. Kurz vor Weihnachten lohnt sich ein Besuch besonders, da die Leute aus nahen und fernen Doerfern mit Pflanzen anreisen, die fuer die Weihnachtskrippendekoration verwendet werden. Koerbe voller Tillandsien, deren innerste Blaetter teils mit roter Farbe besprayt wurden, Saecke voller Tillandsia usneoides, die wie Moos verwendet wird, daneben aber auch die verschiedensten kleinen Kakteen, v.a. aber "biznaguitas", Mammillarien. Immer wieder lassen sich aber auch verschiedene Echeverien und sogar ein kleines Sedum finden. Da empoeren sich die Naturschuetzer darueber, dass die Flora Mexikos dezimiert wird, natuerlich meist von Auslaendern, dabei muessten sie sich vor Weihnachten mal auf ihren eigenen Maerkten umsehen.



Hat man genug vom Einkaufen, kann man sich der Kultur widmen. Bis man alle Kirchen und ehemaligen Kloester besichtigt hat, vergeht eine ganze Weile. Besonders lohnenswert ist ein Besuch im Exkonvent Santo Domingo. Die Kirche mit ihrer Golddekoration und der Deckenverziehrung alleine ist schon wunderschoen. Daneben jedoch befindet sich das ehemalige Kloster, das in ein Museum umgestaltet wurde. Man wandelt durch die Bibliothek und steigt die Treppen hoch, um die Schaetze aus Grab Nummer 7 von Monte Alban zu bewundern. Die Kunstwerke sind wunderschoen ausgestellt und jede ehemalige Kammer, jedes Zimmer, geben mit thematischen Ausstellungen Einblick in das Leben vor und nach der Ankunft der Spanier. Immer wieder bieten sich einem von oben Blicke in einen wunderschoen angelegten Klostergarten mit durchweg sukkulenten Pflanzen an. Sicherlich koennte man hier einen ganzen Tag verbringen, wenn einem die Lauferei nicht schon nach einigen Stunden geschafft haette. Dafuer gibt es aber ausserhalb huebsche kleine Cafes, teils mit Dachterrasse, wo man sich mit frisch gepressten Fruchtsaeften erfrischen kann. Gleich um die Ecke liegt ein weiteres ehemaliges Kloster, das heute das wohl teuerste Hotel in Oaxaca beherbergt, das Camino Real. Aber auch Minderbemittelte, die sich keine so edle Unterkunft leisten koennen, duerfen sich an der wunderschoenen Hotelanlage mit praechtig angelegten Gaerten in den verschiedenen Innenhoefen ergoetzen. Wer noch mehr Kulturschaetze sehen moechte, sollte unbedingt dem Museum Rufino Tamayo einen Besuch abstatten. Die private Sammlung praespanischer Artefakte des mexikanischen Malers wurde nach seinen Vorgaben ausgestellt. Es ging dem Kuenstler nicht um Jahreszahlen und Entstehungsperioden, sondern um die Aesthetik der Objekte. Im Gegensatz zu Santo Domingo ist man in diesem Museum fast alleine, was die Ausstellung noch schoener macht.



Aber auch die Umgebung von Oaxaca hat einiges zu bieten. Auf Tagesausfluegen kann man sich diverse Tempelanlagen und Staedte der Urbevoelkerung von Oaxaca ansehen. Die wohl beruehmteste und auch groesste Anlage ist Monte Alban. Um 8 Uhr frueh werden die Tore geoeffnet und das ist auch die Tageszeit, zu der wir uns dort einfinden. Fuer mehr als eine halbe Stunde haben wir die ganze Anlage fuer uns alleine ! Danach erscheinen die ersten Touristen, ein paar junge Fruehaufsteher. Erst nach neun Uhr entladen die ersten Tourbusse Massen von Franzosen und Amerikanern. Monte Alban ist beeindruckend in seiner Groesse, doch man merkt erst richtig wie riesig die Anlage ist, wenn man von einem Ende bis ans andere gewandert ist. Und auf beiden Seiten erstreckt sich der Berg weiter und es ist nur wahrscheinlich, dass sich darunter noch weitere Ueberreste verbergen. Immer wieder erstaunen uns die riesigen Treppenstufen, die man hinaufklettern muss, um bis zur Altargegend zu kommen. Wie haben es die viel kleineren Indios bloss geschafft, diese riesigen Stufen zu bewaeltigen. Aber nicht nur Monte Alban ist einen Besuch wert. Wer es weniger touristisch mag, dem sei z.B. Yagul empfohlen, wo der Waechter kein Wechselgeld hat, weil so wenig Leute vorbeikommen. Auch hier haben sich die Urbewohner einen strategisch idealen Platz auf einem Huegel ausgesucht, von dem aus sie das ganze Tal im Blick hatten. Neben Tempelanlagen lohnt sich aber auch der Besuch in den umliegenden kleinen Doerfern, besonders an den jeweiligen Markttagen. Fast jedes Dorf hat seine eigene Spezialitaet, so wird in einem gruen glasierte Keramik hergestellt, im naechsten bunte Tiere aus Holz, aber auch Teppiche, schwarze Keramik, Koerbe etc. Fuer Pflanzenfreaks ist ein Besuch der Sierra Juarez ein absolutes Muss. Wir verweilen uns einen ganzen Tag lang und koennen uns kaum sattsehen an der Pflanzenvielfalt und der spektakulaeren Landschaft, die nur wenige Kilometer ausserhalb von Oaxaca schon beginnt. Verschiedene Echeverien bluehen am Strassenrand. Tillandsien und Orchideen verwandeln den Wald in eine Maerchenlandschaft. Und ueberall gehen kleine Pisten ab, die verfuehrerisch weit in die Berge hineinfuehren. Hierve el Agua, Ort des kochenden Wassers, ist ein anderes Muss fuer Naturliebhaber. Das Wasser kocht zwar nicht mehr, doch es sprudelt immer noch aus dem Boden heraus. Hellblaue Becken fliessen nahtlos in den dunklen Horizont ueber. Das Wasser und die darin enthaltenen Mineralien haben ueber die Jahrhunderte hinweg phantastische Terrassen geformt und an drei Orten haben sich grosse "versteinerte Wasserfaelle" gebildet. Man kann auf gut angelegten Wegen um die ganze Anlage herumlaufen, doch dafuer empfiehlt es sich frueh zu kommen. Nicht nur hat man dann das ganze Areal fuer sich alleine, gegen Mittag kann es auch ganz schoen heiss werden. Schaut man etwas genauer hin, kann man auch hier Crassulaceen entdecken, daneben Agaven und Palmen, die sich im kargen Gestein ein Auskommen suchen, und sogar eine rosarot bluehende Bodenorchidee entdecken wir. Nach der Wanderung locken kleine Palapas, palmengedeckte Unterstaende, wo man sich sein mitgebrachtes Picknick bei spektakulaerer Aussicht weit in die Berge von Oaxaca hinein schmecken lassen kann.



Den Tag beschliesst man am besten gemuetlich bei einem kuehlen Bier unter den Arkaden am Zocalo. Mit der Gemuetlichkeit ist es allerdings vorbei, kaum hat man sich gesetzt. Fliegende Strassenhaendler wollen einem bunte Teppiche, Umhaenge und Haengematten verkaufen. In traditionelle Kostueme gekleidete Indiofrauen bieten Holzkaemme und -tiere an. Gleich darauf folgt der Schmuck. Dann die Kinder, die entweder nur betteln oder einem fuer's Geld immerhin Kaugummis anbieten. Junge Maenner spielen Marimbamusik und sammeln nachher Geld ein. Ein Betrunkener zupft an seiner Gitarre und singt so kreuzfalsch, dass wir versucht sind, ihm Geld zu geben, damit er bloss schnell aufhoert zu singen. Eltern kaufen ihren Kindern bunte Ballone, die unter jedem Baum auf dem Zocalo verkauft werden. Daneben locken Restaurants mit koestlicher Mole und anderen typischen Gerichten aus der Region. Oder aber man verpflegt sich zusammen mit den Einheimischen an einem Stand, wo es z.B. Tlayudas oder Gorditas gibt.



Tlayudas sind riesige Tortillas, die knusprig gebacken und mit Bohnenpueree, Kaese, Tomaten, Zwiebeln und Avocados belegt werden. Je nach Gusto kann man sie auch mit Chorizo, scharfer Wurst, oder gegrilltem Fleisch haben. Gorditas fallen in Oaxaca ebenfalls riesig aus und werden mit verschiedenen Molesaucen gefuellt. Ein weiteres Erlebnis ist der Besuch der Grillabteilung im Mercado Juarez. Schon von weitem riecht man das gegrillte Fleisch und bald sieht man auch den Rauch dem Gebaeude entsteigen. Innen drin muss man sich erst an den Rauch und Dampf gewoehnen. Fuer die Bequemen gibt es am Eingang gleich ein "Lokal", wo man sich hinsetzen kann und alles serviert bekommt. Die Insider allerdings kaufen sich den Bund Fruehlingszwiebeln, die Radieschen und Avocados, die Chiles de Agua, Wasserchiles, und Tortillas am Eingang zum Markt. Dann schlendern sie den Grillstationen entlang und entscheiden sich fuer Fleisch und Wurst. Vor Ort werden ihnen dann ihre diversen Beilagen gegrillt. Dann muessen sie sich nur noch einen Platz an einem der schmalen Tische suchen. Wir gehoeren zur bequemen Sorte und lassen uns bedienen. Die Chiles de Agua haben es in sich, die Tortillas sind riesig und handgemacht, das Fleisch toll gegrillt und wunderbar zart. Und weil's so gut ist, bestellen wir gleich noch eine zweite Portion !



Oaxaca ist eine eigene Welt der Farben, Formen, Gerueche und Laute - eine Welt, die uns so fremd und doch so vertraut ist. Wir werden immer wieder gerne hierher zurueckkommen.



Juli-Oktober 2004



Julia Etter & Martin Kristen