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Mogfest in Calico



Es ist stockzappenduster als wir auf dem stillen Campingplatz von Calico einfahren. Mitternacht. Der Duft von Creosote hängt in der Luft. Alles schläft. Nur PocoLoco macht Lärm. Doch das scheint die Unimog-Gemeinde sichtlich nicht zu stören. Auch um Mitternacht ist das Motorengebrumm eines Unimogs für sie Musik in den Ohren. Das Gemeinschaftszelt ist leer, die Bänke verlassen und die Grills nicht mehr in Betrieb. Die Mercedes-Benz- und Unimog-Fahnen schaukeln im Wind. Wir sind zu spät gekommen. Doch es ist Freitagabend und die Hauptereignisse des Unimog-Treffens stehen noch aus, sind für den Samstag geplant. Nach einem kühlen Bierchen gehen auch wir schlafen.



Der Samstag beginnt etwas überraschend, denn wir wachen auf, weil einige Leute flüsternd um unseren Unimog schleichen. Sie haben ein solches Mobil noch nie gesehen und sind sichtlich neugierig. Kurz vor Sonnenaufgang gehen wir auf Foto-Tour, da jetzt das beste Licht für stimmungsvolle Aufnahmen ist. Schliesslich haben wir unserem Freund Ralf Maile, dem Herausgeber der bekannten Unimog-Bildbände, versprochen, jeden Unimog abzulichten, den wir im Laufe unserer Reise begegnen. Er wird sicherlich seine Freude an uns haben. Danach geht es ins Gemeinschaftszelt, das sich langsam belebt. Man versorgt sich mit frischem Kaffee und plaudert drauflos. Wir stehen Red' und Antwort auf alle Fragen, die sich um unseren PocoLoco drehen. Doch auch wir wollen natürlich wissen, mit welchen Fahrzeugen die Betreffenden anwesend sind. So entwickeln sich interessante Diskussionen und wir lernen einige sehr spannende Leute kennen. Kai Serrano, seine Ehefrau Tina und einige Helfer kümmern sich um das leibliche Wohl der Fest-Teilnehmer und bereiten ein schmackhaftes Frühstück zu. Es gibt Pfannkuchen mit Ahornsirup, Bratkartoffeln unf kleine Würstchen.



Bald wird zum Aufbruch geblasen. Alle Unimog-Fahrer, die es sich zutrauen und deren Mobil wendiger und kleiner ist als unser fahrendes Haus, können sich entscheiden zwischen einem mittelschweren und einem schweren Parcours. Wir fahren mit, Julia auf dem schweren Parcours, ich auf dem leichteren - schliesslich ist sie ja auch die risikofreudigere von uns beiden. So geht es im Gänsemarsch in Richtung Berge.



In Kai Serranos Doppelkabiner, angemalt wie eine gescheckte Kuh, fahre ich auf den hinteren Sitzen mit. Es ist zwar nicht eng, jedoch fehlt etwas Fussraum, um es wirklich bequem zu haben. Aber das ist schliesslich nicht der Zweck der Uebung. Wir fahren in einen Canyon hinein, der immer enger wird. Kai weiss, wie er fahren muss und da sein Fahrzeug auch keinen Aufbau hat, kommt er ohne Schrammen durch. Das ist bei den nachfolgenden Fahrzeugen nicht immer so. Steine müssen in der Fahrspur aufgeschichtet werden, um die Fahrzeuge nicht in extreme Seitenlage zu bringen und damit die Aufbauten zu gefährden. Das nimmt etwas Zeit in Anspruch. Viele der Teilnehmer stehen am Wegrand und geben gute Tips. Als das letzte der grösseren Fahrzeuge, Kristin und Blairs Alaskan Camper, erfolgreich passiert hat, setzt sich die aufgestaute Kolonne wieder langsam in Bewegung. Auch grössere Steine werden natürlich überklettert statt umfahren. Schliesslich muss es ja auch Spass machen. Die nächste grössere Hürde stellt eine etwa 70 Zentimeter hohe Felsstufe dar, die nicht so einfach zu meistern ist. Die meisten Unimogs, deren Differentialsperren einwandfrei arbeiten, kommen da ohne grosse Probleme durch. Die anderen haben da schon etwas mehr Probleme und mehrere Fahrzeuge müssen sogar angeseilt und durchgezogen werden. Mehrmals müssen Fahrzeuge mehrere Versuche starten, bis sie durchkommen. Als Kristin und Blair vorbeikriechen, sehe ich Ewan, ihren 8 Monate alten Sohn in Kristins Armen schlafen. Ihn scheint das wilde Geschaukel nicht sonderlich zu stören und die Unimog-Begeisterung seines Vaters scheint ihn momentan auch noch kalt zu lassen. Die nachfolgenden kleineren Fahrzeuge, mehrere Steyr-Puch Pinzgauer, haben an dieser Stelle schon grössere Probleme. Ein Fahrer wirft mit seiner ungestümen Fahrtechnik fast sein Fahrzeug um. Weiter geht es über etwas einfacheres Gelände zu einem grossen Parkplatz vor einer verlassenen Mine, dem Treffpunkt für das Mittagessen.



Für den schweren Parcours fahre ich, Julia, in Erics altem Doppelkabiner Unimog mit. Das Fahrzeug scheint schon einiges mitgemacht zu haben, und so ist Eric auch nicht sonderlich betrübt, als er im ersten richtig engen Stück zuerst ein Schutzblech verbiegt und zerkratzt und kurz darauf auf der anderen Seite auch noch ein paar Schrammen einfängt. Er und sein Freund haben einfach nur grossen Spass und das ist schliesslich die Hauptsache. Die beiden lassen keinen Fels aus und nehmen, wenn möglich, immer die schwerer und steiniger aussehende Variante. Der kleine Canyon, den wir durchfahren, ist kurvenreich und es erfordert einiges an Manövrierfähigkeit, um um alle Hindernisse herumzukurven. Bei jeder schwierigen Stelle steigt man aus und fotografiert die nachkommenden Fahrzeuge. Und wenn einer etwas Pech hat, dann verwirren ihn zuviele Leute mit ihren gutgemeinten Tips. Das führt dann unweigerlich dazu, dass er hoffnungslos festhängt und jeder Versuch scheitert, ohne Schrammen an der Felswand vorbeizukommen. Doch die meisten in der Gruppe haben Erfahrung mit solchen Strecken und ihre Autos sehen auch dementsprechend aus. Bald einmal müssen wir hinter einer Gruppe mit aufgemotzten Jeeps warten, die einige Probleme hat, alle Hindernisse zu bewältigen. Ueber Steintreppen arbeiten sich die Unimogs den Canyon hinauf, bis wir hoch über Calico herauskommen und uns auf einem schönen Aussichtspunkt mit der zweiten Gruppe zum Mittagessen treffen. Danach trennen sich die Gruppen wieder. Für uns geht es steil bergab in den nächsten engen Canyon hinein. Meine beiden Chauffeure sind guter Laune nach einem Bierchen und wollen möglichst wieder grosse Felsbrocken antreffen. Wir kommen durch eine enge Gasse, dann öffnet sich der Canyon und links zweigt eine kleine Piste ab. Natürlich wollen meine beiden Kumpane diese kleine Piste ausprobieren, doch nachdem sie sie zu Fuss abgegangen sind, bleiben sie doch auch lieber auf dem Hauptpfad. In der Zwischenzeit haben wir die grösste Action hinter uns verpasst. Ein Unimog ist umgekippt ! Nun liegt er auf der Seite auf einem grossen Felsbrocken auf und alle wollen helfen. Diesmal haben wir eine Gruppe mit Jeeps hinter uns und einer davon offeriert den Gebrauch seiner Seilwinde. Er bringt sein Fahrzeug in Position, und der Rest der Unimogfreaks hilft, den Wagen wieder auf alle vier Räder zu schaukeln. Die ganze Situation ist etwas angespannt, schliesslich verbietet es der Stolz eines jeden Unimogfahrers, sich von einem ollen Jeepfahrer aus einer misslichen Lage retten zu lassen ! Nun scheinen für heute alle genug zu haben und wir fahren gemütlich wieder zum Lager zurück, wo die zweite Gruppe auch schon beim Bier sitzt oder an einer Margarita oder Bloody Mary nippt.



Gegen Abend kommt eine steife kalte Brise auf, die alle Anwesenden in dick gefütterte Jacken treibt. Zusammen wird an langen Tischen zu Abend gegessen, geplaudert und gelacht. Natürlich werden Unimog-Geschichten erzählt oder einfach nur gefachsimpelt. Man kommt sich fast wie auf einem Unimog-Treffen in Europa vor. Mit dem einzigen Unterschied, dass hier alle (ausser einem Schweizer) englisch reden. So nach und nach gehen die Leute schlafen, bis gegen Mitternacht nur noch eine kleine Gruppe von Unentwegten übrigbleibt. Da der Wind mittlerweile so stark bläst, dass man sich das Bierglas gegen umherwehenden Staub abdecken muss, entschliessen auch wir uns, schlafen zu gehen.



Der nächste Morgen empfängt uns mit dicken Wolken, es ist kalt, windig und bald fängt es auch leise an zu nieseln. Die Organisatoren bereiten ein schmackhaftes mexikanisches Frühstück mit Rührei, Burritos, Chorizo und anderen Köstlichkeiten zu. Nochmals sitzt man zusammen, plaudert und lacht. Adressen und Telefonnummern werden ausgetauscht, Einladungen ausgesprochen. Dann wird zusammengepackt und die Menge zerstreut sich wieder in alle Windrichtungen. Schliesslich sind die meisten grössere Distanzen hierher gefahren und müssen am Montag wieder zur Arbeit. Wir sind die letzten, die den Tatort verlassen und sich in Richtung Mexico auf den Weg machen. Wir werden in kommenden Jahren gerne wiederkommen, falls sich die Organisatoren entscheiden sollten, wieder ein solches tolles Mogfest zu veranstalten.



Oktober 2005



Julia Etter & Martin Kristen